Frage an Jürgen Trittin von Christine G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Trittin,
in der Bundestagssitzung vom 23. Februar haben Sie besonders lautstark einen Rücktritt von Herrn zu Guttenberg infolge schwerer Plagiatsvergehen gefordert. Wie bewerten Sie, dass der ehemalige Außenminister und Ihr Parteifreund Joschka Fischer in den siebziger Jahren Steine auf Polizisten geworfen hat? ( http://www.handelsblatt.com/fischer-bekennt-sich-zu-militant-linker-vergangenheit/2029676.html )
Wären hier nicht ebenfalls Rücktrittsforderungen gerechtfertigt gewesen als im Jahre 2001 während Fischers Amtszeit Fotos von Fischer während gewaltsamer Übergriffe auf Polizisten auftauchten?
Mit freundlichen Grüßen
Chr. Gärtner
Sehr geehrte Frau Gärtner,
Vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie zum Plagiatsfall Guttenberg Stellung nehmen. Gerne nutzen wir diese Gelegenheit, unsere Kritik am Verhalten des Herrn zu Guttenberg zu erläutern und auf Ihren Vergleich mit den Vorwürfen gegen Joschka Fischer einzugehen. Zwischen beiden Fällen bestehen große Unterschiede.
Wir Grüne haben an Herrn zu Guttenberg zwei Punkte kritisiert:
Erstens, dass er große Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, und zwar in einem Umfang, der nach menschlichem Ermessen nur mit vorsätzlichem Handeln erklärt werden kann. Nach den sehr transparenten Zählungen ( http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/Zwischenbericht/ ) finden sich auf über 271 Seiten von zu Guttenbergs Promotionsschrift nicht oder nicht hinreichend ausgewiesene Zitate und Textübernahmen. 20 % der Arbeit bestehen danach aus Komplettübernahmen von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.
Zweitens und vor allem haben wir kritisiert, wie Herr zu Guttenberg mit diesen Vorwürfen umgegangen ist:
Am Anfang hat er die Vorwürfe als «abstrus» zurückgewiesen und geleugnet. Dann hat er versucht, die Sache herunterzuspielen, indem er einräumte, vielleicht die eine oder andere Fußnote vergessen zu haben. Nach einem Gespräch bei der Kanzlerin bot er an, seinen Doktortitel /"vorübergehend, ich betone vorübergehend"/ (zu Guttenberg) nicht mehr zu führen. Als klar wurde, dass die Universität Bayreuth ihm diesen aberkennen würde, versuchte er, ihn vorher zurück zu geben. In klassischer Salamitaktik hat er immer nur das zugegeben, was nicht mehr zu bestreiten war. Und bis heute hat er nicht erklärt, wie es zu dem kommen konnte, was er "handwerkliche Fehler" nennt, was in Wahrheit aber eine /"Colllage von Plagiaten" /(Prof. Dr. Lepsius, Universität Bayreuth) ist.
Völlig inakzeptabel war sein Versuch, die tragischen Ereignisse in Afghanistan mit seinem eigenen Fehlverhalten in Verbindung zu bringen. Diese Verquickung von zwei Vorgängen, die nichts miteinander zu tun haben, ist und bleibt nach unserer Überzeugung eine unerhörte Taktlosigkeit. Herr zu Guttenberg versteckte sich hinter toten Soldaten, um sein Plagiat zu verharmlosen. Selbst bei seiner Rücktrittserklärung suchte er den Eindruck zu erwecken, als sei er, der in besseren Tagen stets die Aufmerksamkeit der Medien gesucht und genossen hat, ein von der Presse Getriebener und von der Wissenschaft und der Opposition Gejagter. Selbst in dieser letzten Erklärung als Minister war weniger von eigenem Versagen als von der Mitschuld anderer die Rede.
Und Joschka Fischer? Er hat, obwohl ihm ein persönliches und strafrechtlich relevantes Fehlverhalten niemals nachgewiesen worden ist und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde, freimütig dazu bekannt, dass er -- viele Jahre, bevor er ein politisches Amt innehatte -- an Ausschreitungen gegen Polizisten beteiligt war. Er hat darüber Artikel geschrieben. Er hat sich dafür nicht nur entschuldigt und Fehler zugegeben. Er hat im weiteren Verlauf seiner politischen Karriere das damalige Vorgehen außerparlamentarischer Oppositionsgruppen selbstkritisch reflektiert und aufgearbeitet. Und er hat sich als Abgeordneter der Grünen stets mit aller Deutlichkeit von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung distanziert.
Während Herr zu Guttenberg bereits während seiner Tätigkeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages die Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes in seine Doktorarbeit kopiert hat und sein Amt nutzte, um seine Verfehlungen dann noch zu verschleiern, hat Joschka Fischer in seiner Amtszeit deutlich zu seinem Verhalten, das Jahrzehnte zurücklag, Stellung bezogen.
Und wenn man schon die Parallele zieht: Auch Fischer war beliebt, aber auch er wurde von der Opposition nicht mit Samthandschuhen angepackt -- ganz im Gegenteil. Und auch die Presse war nicht zimperlich. Insofern ist die Parallele schon aufschlussreich und gerade der Vergleich macht noch einmal deutlich, warum zu Guttenberg völlig zu Recht am Ende keine andere Wahl als der Rücktritt blieb.
Joschka Fischer stand zu seinem Verhalten. Er hat dies weder beschönigt noch versucht, sich heraus zu reden. Das ist der große Unterschied zu Herrn zu Guttenberg.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Jürgen Trittin