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Jürgen Trittin
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Frage von Theda van L. •

Frage an Jürgen Trittin von Theda van L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Was fühlen Sie, wenn wieder ein junger Soldat gestorben ist??
Wie werden Sie sich in der Abstimmung verhalten?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau van Lessen,

vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordntenwatch.de erreicht hat.

Zunächst möchte ich vorausschicken, dass wohl keine Abstimmung so schwierig ist wie die über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Keine Abgeordnete und kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages tut sich mit dieser Entscheidung leicht. Die Mehrheit meiner Fraktion hat sich bei der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz enthalten. Denn wir haben eine Reihe von schwerwiegenden Kritikpunkten am uns vorgelegten Mandat. Gleichzeitig kommt für uns ein Sofortabzug nicht in Frage, weil das Land sonst in einen offenen Bürgerkrieg zurückfallen würde und wir damit die Afghaninnen und Afghanen im Stich lassen würden. Deshalb war es für die Mehrheit meiner Fraktion nicht zu verantworten, dem Mandat zuzustimmen, ebenso wenig aber, es abzulehnen. Die Gründe erläutere ich Ihnen gerne:

Wir fordern eine Agenda für den Aufbau statt offensiver Kriegsführung.

Auf Wunsch der afghanischen Regierung, im Verbund mit vielen internationalen Partnern und mit Mandat der Vereinten Nationen, hat Deutschland in Afghanistan Verantwortung übernommen. Wir Grünen stehen zu dieser Verantwortung gegenüber den Frauen, Männern und Kindern in Afghanistan, die große Hoffnungen in eine friedliche Zukunft legen. Wir unterstützen die zivilen Helferinnen und Helfer, die Soldatinnen und Soldaten, die Diplomatinnen und Diplomaten, die sich um einen stabilen afghanischen Staat bemühen, in dem Menschenrechte und rechtsstaatliche Normen respektiert werden.

Die Konflikte in Afghanistan können nur politisch gelöst werden. Dazu sind Verhandlungen mit und unter den Konfliktparteien unter Berücksichtigung der afghanischen Verfassung notwendig. Eine militärische Lösung der Probleme gibt es nicht. Die Strategie der offensiven Aufstandsbekämpfung mit gezielten Tötungen, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt, lehnen wir ab. Sie ist kontraproduktiv, weil sie die Gräben nur noch tiefer macht und viele Opfer kostet. 2010 wurden mehr Menschen getötet als in den Jahren zuvor. Daher unterstützen wir das von der Bundesregierung eingebrachte Mandat nicht.

Die afghanischen Polizei- und Streitkräfte müssen die Sicherheitsverantwortung des Landes übernehmen. Ein überhasteter und unkontrollierter Abzug der internationalen Truppen würde diesen Prozess behindern. Der Rückzug, insbesondere der Bundeswehr, muss aber noch in diesem Jahr beginnen und soll in Absprache mit der afghanischen Regierung und den internationalen Partner bis 2014 erfolgt sein.

Was wir jetzt brauchen ist eine entwicklungspolitische Agenda für den Aufbau. Ohne ein gut durchdachtes und langfristiges Konzept wird Afghanistan keine Stabilität gewinnen. Die internationale Gemeinschaft und die afghanischen Partner müssen in dieser Agenda die veränderten Rahmenbedingungen nach einem militärischen Abzug berücksichtigen und darin auch die entwicklungspolitischen Anforderungen anderer Staaten der Region einbeziehen. Begleitend muss ein ziviler Friedensbildungsprozess geschaffen werden, der über das Jahr 2014 hinausgeht.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin