Frage an Jürgen Trittin von Ulrich F. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Trittin,
was sagen Sie eigentlich zu dem kürzlich in der Hannoverschen Allgemeine Zeitung erschienenen Artikel "Der neue Sprit, ein grünes Kuckucksei" ?
Dort kann man u.a. lesen:
> Die Gesamtökobilanz falle schlechter als die für normalen Kraftstoff aus ...
> Für die Produktion von Ethanol, das aus Weizen, Roggen und Zuckerrüben gewonnen werde, werde wertvolles Ackerland umgewandelt ...
> Zudem sei der Energieaufwand zur Herstellung von E10 sehr hoch und der intensive Anbau von Energiepflanzen für Ethanol und Agrardiesel lasse sich nur mit viel Dünger bewerkstelligen, dessen Stickstoffanteil klimaschädliches Lachgas in die Atmosphäre bringe...
Meine Frage: Halten sich die Grünen für Umweltbelange eigentlich noch für zuständig ?
Ich vermisse jedenfalls ihren (und Ihren) lauten Protest gegen diesen groben Unfug.
Sehr geehrter Herr Frase,
die von der Bundesregierung eingführte Beimischungsregelung für Treibstoffe lehnen wir in der beschlossenen Fassung ab.
Es gibt Potenzial für nachhaltig erzeugte Biomasse. Der Anbau von Biomasse für Kraftstoffe wird von uns aber nur dann befürwortet, wenn er nachgewiesenermaßen umweltfreundlich und nachhaltig erfolgt und eine positive Klimabilanz aufweist. Eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und die Abholzung von Regenwald muss im Rahmen verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien ausgeschlossen werden.
Die Europäische Union hat sich im Dezember 2008 auf Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe geeinigt, die in Deutschland derzeit durch eine Verordnung rechtlich umgesetzt werden. Diese Kriterien schreiben für Biokraftstoffe nachgewiesene Einsparungen bei Treibhausgasemissionen vor: beginnend mit mindestens 35%, ab 2017 mit mindestens 50%, für neue Produktionsanlagen ab 2017 mindestens 60%. Und die Biokraftstoffe dürfen nicht aus Rohstoffen herstellt werden, die auf Flächen mit hohem Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt oder hohem Kohlenstoffbestand erzeugt werden. Dazu zählen Tropenwälder, Feuchtgebiete, Torfland, aber auch natürliches oder künstlich geschaffenes Grünland. Bündnis 90/Die Grünen werden ein Auge darauf haben, dass die Bundesregierung diese Vorgaben streng umsetzt.
Die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt, ist notwendig. Es reicht aber nicht aus, um auch Ausweicheffekte zu erfassen. Es wäre z.B. kontraproduktiv, auf einer Fläche ökologisch korrekt und als nachhaltig zertifiziert Biomasse zur energetischen Nutzung anzubauen, dafür aber an anderer Stelle Urwald für die Futtermittelproduktion zu vernichten oder der Lebensmittelproduktion Konkurrenz zu machen. Die internationale Gemeinschaft wird daher die gesamte Landnutzungspolitik von Ländern, die Energiepflanzen oder Agrotreibstoffe exportieren wollen, prüfen und ihre Nachhaltigkeit bewerten müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin