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Jürgen Trittin
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Frage von Ulrich K. •

Frage an Jürgen Trittin von Ulrich K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Trittin,

gestatten Sie mir eine Frage, die Sie hoffentlich nicht als ungebührlich provokant empfinden:

Wie ist es Ihrer Ansicht nach zu erklären, dass die Debatte über Kernenergie in zivilisatorisch verwandten Nachbarländern wie der Schweiz oder Schweden (von Frankreich und Tschechien einmal zu schweigen) auch kritisch und engagiert, nach meiner Wahrnehmung aber - wenn Sie die Wertung gestatten - nüchterner und in Abwägung der zum Teil ja auch nicht appetitlicheren Alternativen geführt wird?

Würden Sie mir zustimmen, dass die Form der hiesigen öffentlichen Diskussion (ihr ideologischer Charakter, ihre Abkehr vom gegenseitig unterstellten guten Willen) es den Energiekonzernen leicht macht, sich aus dieser Diskussion in die Hinterzimmer der Politik zurückzuziehen, wo dann eben eigenwillige Deals geschlossen werden können?

Und - letzte Frage - planen die Grünen die "großen 4" Energiekonzerne für den angestrebten generationsübergreifende Wandel in der Stromversorgung zu gewinnen oder sind diese Unternehmen Ihres Erachtens wie einst die Dinosaurier zum Aussterben bestimmt?

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrich Keilholz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Keilholz,

es gibt seit jeher unterschiedliche Abstufungen des Widerstandes in den unterschiedlichen Ländern. Schweden hat aber bereits vor 20 Jahren den Atomausstieg beschlossen. Italien hat seine AKWs nach 1986 sogar direkt stillgelegt. Belgien hat vor 10 den Ausstieg beschlossen. Österreich setzt sich massiv für den Atomausstieg in Deutschland und Tschechien ein. In Frankreich sind bereits eine die meisten Schnellen Brüter vom Netz genommen worden und für andere AKWs steht dies in den nächsten Jahren an. Gebaut wird lediglich an einem AKW in Finnland und einem in Frankreich. Die Debatte um Atomenergie wurde nie und in keinem Land wertfrei geführt. Auch wenn die Proteste in Deutschland besonders öffentlich und sichtbar sind, bedeutet dies nicht, dass man nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung fähig ist. Die Hinterzimmerpolitik von schwarz-gelb und den AKW-Betreiber liegt vielmehr darin, dass diese einen öffentlichen Diskurs um Vor- und Nachteile dieser Technologie fürchten. Darüber hinaus wurde den Betreibern in den Geheimverhandlungen Zugeständnisse gemacht, die öffentlich kaum vertretbar sind.

Wir Grünen stehen, und auch ich persönlich, immer im direkten Dialog mit den vier großen Energieversorgern und deren Engagement im Bereich der Erneuerbaren Energien haben wir genau verfolgt. Dabei mussten wir aber auch feststellen, dass diese vier ein Geschäftsmodell verfolgen, für das die Bundesregierung Ihnen nun auch noch die gesetzliche Grundlage schafft. Mit ihrer Marktmacht hier in Deutschland sorgen sie dafür, dass ihre Atom- und Kohlekraftwerke möglichst lange laufen und der Ausbau der Erneuerbaren möglichst ausgebremst wird. Bereits heute stehen viele Windparks und Biogasanlagen zu 30% ihrer möglichen Betriebszeit still, da die Netze durch Kohle- und Atomstrom verstopft sind. Trotz Einspeisevorang der Erneuerbaren Energien werden Atom- und Kohlekraftwerke nicht herunter gefahren, auch nicht in Starkwindzeiten, sondern die Windräder stehen still.

Darüber hinaus verwenden sie ihre Marktmacht um hohen Strompreise durchzusetzen, Gutachter haben errechnet, dass sie im Schnitt mehr als 2 Cent mehr Gewinn machen, als dies marktüblich wäre.

Ihre Extraprofite aus der Laufzeitverlängerung und dem fehlenden Wettbewerb benutzen Eon, RWE und Co dazu, im Ausland in Erneuerbare Energien zu investieren. Und 2050 werden wir ein Viertel unseres Strom aus dem Ausland beziehen müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin