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Jürgen Trittin
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Frage von Gabriele T. •

Frage an Jürgen Trittin von Gabriele T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Trittin,

am vergangenen Samstag, 11. September, waren auch wieder die GRÜNEN auf der Berliner Demo "Freiheit statt Angst" vertreten.
Zu sehen war u.a. ein großes Plakat mit der Aufschrift: "Meine Daten gehören mir".
Das kann ich unterschreiben und unterstütze diese Forderung selbstverständlich.
Nun meine Frage:
Die GRÜNEN haben während ihrer Regierungsverantwortung die Einführung der "elektronischen Gesundheitskarte" mit beschlossen. Diese Karte ist aber eine Gefahr für alle Patienten, besonders für die chronisch Kranken. Alle Krankheits- und Sozialdaten sollen - zunächst freiwillig - in Rechenzentren zentral gespeichert werden.
Das heißt, das neben Diagnosen, Verdachtsdiagnosen oder auch falschen Diagnosen auch die persönlichen Eindrücke des Arztes zum jeweiligen Patienten dort gespeichert werden.
Das diese "Freiwilligkeit" auch in Zukunft gelten wird, darauf können wir Bürger uns leider nicht mehr verlassen. Jüngstes Beispiel die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.
"Meine Daten gehören mir"
Gilt dieser Satz nicht ganz besonders im Gesundheitswesen bei den hoch sensiblen Gesundheitsdaten eines jeden Bürgers????
Ich würde Sie bitten, mir in Ihrer Antwort nicht eine Erklärung über die so genannten Vorteile dieser Karte aufzuzählen. Diese sind mir hinreichend bekannt und genau deswegen lehne ich diese "Schnüffelkarte" strikt ab.
Wenn die GRÜNEN wieder in die Regierung kämen, würden sie dann weiterhin auf die Einführung dieser Karte bestehen oder nehmen Sie die Befürchtungen Hunderttausender Bürger ernst und gestehen Sie dann auch uns Patienten zu: "Meine Daten gehören mir"???

Mit freundlichen Grüßen
Gabi Thiess

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Thiess,

Bündnis 90/ Die Grünen befürworten weiterhin die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Allerdings halten wir es für wichtig, nach dem Grundsatz "Lieber gründlich als schnell" vorzugehen.

Gegen Ihre Befürchtung kann die Gesundheitskarte zu einer Verbesserung des Datenschutzes und zu mehr informationeller Selbstbestimmung für den Patienten beitragen. Durch die Anwendung von Verschlüsselungstechnologien, das Verbot des Zugriffs der Krankenkassen auf die Daten, die erforderliche doppelte Autorisierung durch Patient und Arzt sowie das Recht für die Versicherten, den Datenzugriff nur selektiv zu gewähren, bietet sie weitaus mehr Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung als die papiergebundenen Patientenakten.

Die Regelungen zu der elektronischen Gesundheitskarte werden daher von Datenschützern als nahezu vorbildlich bezeichnet.

Zudem kann die Gesundheitskarte auch noch aus einen weiteren Grund den Datenschutz befördern, indem sie der Kommerzialisierung von Patientendaten durch elektronische Patientenakten im Internet entgegen wirkt, die derzeit in der Ärzteschaft immer populärer werden.

Wir Grüne halten es bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für zwingend notwendig, dass die Patientinnen und Patienten frei darüber entscheiden können, ob und welche medizinischen Daten gespeichert werden. Die Gewährleistung einer informationellen und medizinischen Selbstbestimmung der Patientin und des Patienten ist aus Sicht der Grünen unerlässlich. Dementsprechend können Sie, Frau Thiess, die Speicherung Ihrer medizinischen Daten auch verweigern.

Die elektronischen Gesundheitskarte als Projekt "einwilligungsbasierter Datenverarbeitung" ist auf die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten und der Ärzteschaft angewiesen. Dies ist weitaus wichtiger als das Einhalten politisch gesetzter Zeitpläne. Dabei gilt diese Prioritätensetzung nicht nur für die Einführungsphase. Die elektronische Gesundheitskarte wird sich zunächst von der bisherigen Krankenversichertenkarte nur durch ein Lichtbild des Versicherten und die Funktion des elektronischen Rezepts unterscheiden. Die weiteren Anwendungen bis hin zur elektronischen Patientenakte sollen erst in einem mehrere Jahre dauernden Prozess jeweils mit Zustimmung des Patienten dazu kommen. Auf jeder dieser Entwicklungsstufen soll eine Evaluierung unter Einbeziehung möglichst sämtlicher Betroffener erfolgen. Gegebenenfalls müssen notwendige Korrekturen vorgenommen werden, bevor die nächste Entwicklungsstufe betreten wird. Dabei muss auch darauf geachtet werden, dass die notwendigen Beratungsangebote für die Anwender der Karte mit der Weiterentwicklung ihrer technischen Möglichkeiten Schritt halten.

Ich hoffe, dass wir mit dieser Antwort ihre Befürchtungen vermindern konnten.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin