Frage an Jürgen Trittin von john b. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Trittin,
Horst Köhler spricht eine bekannte Tatsache aus, dass im Afghanistan Krieg auch wirtschaftliche Gesichtspunkte vorliegen. Dies ist eine offene Wahrheit und Köhler hinterfragt damit auch den Sinn Tötens im Angriffskrieg im Ausland. Die Grünen stimmten ursprünglich gegen den Afghanistan Einsatz und die Mehrheit der Grünen Mitglieder und Befürworter (ich) sind weiterhin gegen den Einsatz. Können Sie mir einen logischen Grund, außer Wahlpropaganda und Pressegeilheit nennen, wieso Sie seine Rede kritisiert haben und mitverantwortlich für seinen Rücktritt sind?
Mit freundlichen Grüßen,
John Berg
(ich wähle ab heute links)
Sehr geehrter Herr Berg,
vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Keine Partei hat sich so intensiv, so kritisch und so konstruktiv mit dem Militäreinsatz in Afghanistan auseinandergesetzt wie wir Grünen. Grüne Abgeordnete waren und sind immer wieder vor Ort, um sich persönlich über Probleme und Fortschritte zu informieren. Wir haben -- im Gegensatz zur Bundesregierung -- früh Fehler und Defizite benannt, unsere Analysen und Berichte der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung und uns der Diskussion gestellt. Die zahlreichen Fehler und Defizite bei der Umsetzung der zivilen und militärischen Ziele haben unsere Bereitschaft, den ISAF-Einsatz mitzutragen, in den vergangenen Jahren immer wieder belastet. Daher haben wir auch bei der jüngsten Abstimmung über das ISAF-Mandat dem Antrag der Bundesregierung mehrheitlich nicht zugestimmt.
Aber eines möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Die internationale Gemeinschaft ist unter dem Mandat der Vereinten Nationen und auf Wunsch der afghanischen Regierung in Afghanistan engagiert. Wir Abgeordnete haben im Deutschen Bundestag über ein Mandat zu entscheiden, das ganz klar einen Auftrag zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau in Afghanistan enthält, mit der obersten Priorität, die Zivilbevölkerung zu schützen. Darüber stimmen wir ab und nicht darüber, dass die Bundeswehr deutsche Wirtschaftsinteressen am Hindukusch verteidigt. Gerade deshalb ist diese Entscheidung über den ISAF-Einsatz für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine Gewissensentscheidung, die niemandem leicht fällt.
Aus diesem Grund haben wir die Äußerung von Horst Köhler kritisiert. Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass er seine Äußerung klarstellt, nicht, dass er zurücktritt. Horst Köhler hat in seiner Amtszeit wichtige Anstöße gegeben, gerade in unserem Verhältnis zum Nachbarkontinent Afrika, den er immer als Partner und nicht als Objekt der Hilfe betrachtet hat. Er hat sich nicht gescheut, auch und gerade unbequeme Wahrheiten etwa über die Konsequenzen des Klimawandels auszusprechen. Horst Köhler war der Kandidat, mit dem Schwarz-Gelb seinen Anspruch, dieses Land zu regieren, unterstrichen hat. Schwarz-Gelb hat ihm, das war wohl seine Überzeugung am Ende, nicht die Unterstützung gegeben, die er für nötig hielt.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin