Frage an Jürgen Trittin von Ewald B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Trittin,
die SPD wird in den vergangenen Jahren bei Wahlen doch ziemlich gebeutelt, 2% Stimmenverluste werden inzwischen sogar schon als Wahlsieg interpretiert. So weit ist es gekommen. Wie wir alle wissen, sind die Wahlverluste der SPD mittel- und unmittelbar immer noch Folge der Agenda 2010 zur Zeit der rotgrünen Koalition im Bund.
Wenn ich mich in meinem Umfeld so um höre, dann sieht man dort auch unter den Wählern der Grünen die Schrödersche Agenda ähnlich kritisch wie unter vielen ehemaligen SPD- Wählern.
Unabhängig davon wie man inhaltlich zur Agenda stehen mag, ist es doch so, dass die Fraktion der Grünen ebenso maßgeblich an der Agenda 2010 beteiligt war bzw. sie hat diese ebenso mehrheitlich mitgetragen wie die SPD- Fraktion.
Nun meine Frage:
Wie erklären Sie es sich, dass die Grünen von ihren Wählern nicht ebenso abgewatscht werden wie die SPD, sondern im Gegenteil die Grünen sogar noch an Zuspruch hinzugewinnen?
Mir ist zwar bewusst, dass eine solche Frage eine etwas billige Antwort wie auf einer Wahlkampfveranstaltung provozieren könnte, trotzdem würde ich mich freuen, wenn Ihre Antwort ein wenig differenzierter und reflektierter ausfallen würde.
Im Voraus herzlichen Dank für Ihre Antwort
Sehr geehrter Herr Beck,
die Agenda 2010 war eine Erfindung von Gerhard Schröder, Wolfgang Clement, Franz Müntefering, Peter Hartz und anderen, vornehmlich aus der SPD. Einiges daran war richtig, so etwa die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, anderes war falsch, etwa die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln, der zu niedrige Regelsatz und die mangelnde Ergänzung durch einen Mindestlohn. Die Grünen haben in den Verhandlungen innerhalb der Koalition daher Verbesserungen durchgesetzt, die aber leider im Bundesrat fast alle durch die Union wieder herausverhandelt wurden. Durch die Blockademehrheit der Union im Bundesrat wurden die Hartz Gesetze im Effekt zu einem Allparteienkompromiss. Wir haben damals bereits Kritik am Resultat geübt, das Paket aber im Geiste der notwendigen Kompromissfindung mitgetragen, weil wir einige Aspekte eben auch richtig fanden. Es ist den Grünen offenbar besser als anderen gelungen, diese Sachverhalte und politischen Zusammenhänge ihren Wählern und potentiellen Neuwählern zu vermitteln und verständlich zu machen. Der Zuspruch, den wir in den jüngsten Wahlen und Umfragen erfahren, hat mit einer Reihe von anderen Themenfeldern und Politikbereichen zu tun, auf denen wir schneller und überzeugender als die politische Konkurrenz zeitgemäße Antworten auf die großen Krisen unserer Zeit gefunden und den Menschen erklärt haben. Dabei geht es um Klimakrise, Wirtschafts und Finanzkrise und die Armutskrisen unserer Zeit. Die Agenda 2010 und auch der Geist aus dem sie vor sieben Jahren entstand haben damit nur noch wenig zu tun.
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Trittin