Frage an Jürgen Trittin von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Trittin,
nach mehreren Zeitungsberichten bezeichneten Sie eine schwarz-gelbe Mehrheit bei der Bundestagswahl, die durch Überhangmandate entstehen würde, als "ergaunerte Mehrheit".
( http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gruene-attackieren-ihren-wunschpartner;2458918 )
Ich würde gerne wissen, wie Sie zu dieser Einsätzung kommen. Nach meinem Wissensstand wurden nicht die Überhangmandate selbst verfassungsrechtlich in Frage gestellt, sondern lediglich die negative Stimmgewichtung bemängelt (also dass zusätzliche Wählerstimmen im Einzelfall zum Verlust eines Mandates führen würden).
Die Überhangmandate selbst sind also völlig verfassungskonform. Selbst aber, wenn sie es nicht wären: Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik eine Frist bis *nach* der Wahl eingeräumt, um das Wahlrecht zu ändern. D.h. das Gericht sieht es als völlig legitim und vertretbar an, diese Bundestagswahl nach dem bisherigen Modus durchzuführen.
Wenn Sie nun von "ergaunerter Mehrheit" sprechen, müsste es sich ja bei den Verfassungsrichtern, die dies zugelassen haben, Ihrer Meinung nach um "Gauner" handeln. Sehen Sie es als problematisch, dass Ihre Äußerungen, Herr Trittin, die Wähler über den tatsächlichen Sachverhalt täuschen und einen falschen Eindruck erwecken, nämlich den, dass eine auf Überhangmandaten beruhende Mehrheit verfassunsgwidrig sei (was nun einmal nicht der Fall ist)?
Beste Grüße
T. Baader
Sehr geehrter Herr Baader,
Das Bundesverfassungsgericht hat am 03.07.2008 entschieden, dass das Bundeswahlgesetz teilweise verfassungswidrig ist. Es wurden nicht die Überhangmandate an sich als verfassungswidrig eingestuft, sondern wie sie zurecht sagen, die negative Stimmengewichtung, aber dieses ist eine direkte Folge der Vergabe von internen Überhangmandaten. Da es nicht rechtzeitig vor der Bundestagswahl am 27.09.2009 geändert, findet diese unter verfassungswidrigen Vorzeichen statt, auch wenn das Bundesverfassungsgericht dies für die Wahl 2009 ermöglicht hat.
Die Fraktionen des Bundestages hätten es in der Hand gehabt, für klare Verhältnisse zu sorgen. Eine Änderung des Bundeswahlgesetzes, die wir noch in dieser Legislaturperiode beantragt haben, hätte zur Folge, dass sogenannte Überhangmandate grundsätzlich nicht mehr entstünden. Diese wurde leider aber von CDU, SPD und FDP abgelehnt.
Durch diese Haltung kann es zu einer Umkehr des Wählerwillens bei der Mehrheitsbildung im Deutschen Bundestag kommen, dessen Verfassungsgemäßheit ich in Zweifel ziehe und daher bei einen solchen Fall von einer "ergaunerten Mehrheit" spreche.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin