Frage an Judith Skudelny von Rolf W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Skudelny
ich wohne in Neckartailfingen also in Ihrem Wahlkreis.
Ich bin einer der Betroffenen der Änderung der Gesetzesänderung "Lebensversicherungen" die am 21.12. in Kraft treten soll. Ich erhalte im November 2013 eine Kapitallebensversicherung heraus. Ich bitte Sie herzlich und dringend sich dafür einzusetzen, dass das Inkraftteten diese Änderung gestoppt wird!
Ich bin von der Politik enttäuscht, wenn ich in der Presse lese: "Daß die Abgeordneten die wetreichenden Folgen für die Versicherten nicht überblickt haben. Oder ist es so, dass die Folgen billigend in Kauf genommen wurden, weil die Versicherungen die bessere Lobby haben?! Siehe Kommentar heute Nürtinger Zeitung Seite 1.
So wie mir wird es noch vielen gehen: Da schließt man eine Lebensversicherung ab um im Alter ein wenig finanzielle Sicherheit zu haben und kurz vor der Auszahlung erfährt man, dass es ggf. über zehn Prozent weniger sind durch eine gesetzliche Änderung deren Folgen nicht erkannt wurden, gleichzeitig wird zu mehr privater Altersvorsorge aufgerufen. Wo passt das zusammen?
In der Hoffnung auf Ihre Intervention verbleibe ich mit besten Grüße
Rolf Wenhardt
Sehr geehrter Herr Wenhardt,
wie Sie vielleicht schon aus den Medien erfahren haben, wird es in der laufenden Legislaturperiode keine entsprechende Novelle mehr geben. Ich finde dies insofern fair, da die erst im November im Bundestag verabschiedete Novelle zu kurzfristig in Kraft getreten wäre, als das die Betroffenen darauf noch in irgendeiner Form hätten reagieren können.
Grundsätzlich bleibt damit das Problem jedoch zunächst bestehen. Die bisherige Regelung führt aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase zu einer Bevorteilung der aktuell ausscheidenden Versicherungsverträge zu Lasten aller anderen Verträge. Es besteht somit eine Ungerechtigkeit zwischen den Vertragsgenerationen.
Mit den geplanten Änderungen des Versicherungsaufsichts-Gesetzes zur Erhaltung garantiesichernder Bewertungsreserven hatten die Regierungsfraktionen daher zwei wichtige Ziele verfolgt. Einerseits soll der Sektor krisenfest bleiben, andererseits der notwendige Interessenausgleich zwischen Alt- und Bestandskunden an das heutige Kapitalmarktumfeld angepasst werden. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase ist es die vordringliche Aufgabe der Lebensversicherungen, ihre Kunden in der Gesamtheit zu schützen und dabei insbesondere noch nicht realisierte Gewinne angemessener als bislang aufteilen zu können. Nur so können sie alle Verpflichtungen gegenüber den Versicherten über den sogenannten „Sicherungsbedarf“ hinaus erfüllen und allen Versicherungsnehmern einen angemessenen Anteil an den Bewertungsreserven zuweisen.
Mir ist vor dem Hintergrund der von den Medien aufgeputschten Debatte wichtig festzuhalten: Es geht nicht um eine Entlastung der Versicherungsunternehmen, sondern allein um die Verteilung von Bewertungsreserven aus, für die Versichertengemeinschaft als Wertanlage gehaltenen, festverzinslichen Wertpapieren. Bei festverzinslichen Wertpapieren sind Bewertungsreserven stets flüchtig, weil sie regelmäßig auf nur vorübergehenden Kursgewinnen beruhen. Deshalb war die Beteiligung der fälligen Verträge an solchen Bewertungsreserven schon bei ihrer Einführung höchst umstritten. Der Bundesrat hat sich damals dagegen ausgesprochen. Inzwischen hat sich die Regelung als grober Fehler der damaligen Großen Koalition herausgestellt, den wir korrigieren wollten, jedoch nicht ohne an eine Regelung für Härtefälle zu denken.
Insgesamt geht es bei über garantierten Leistungen und bereits erzielten Gewinnen hinausgehenden Ablaufleistungen um Prognosen, die bei der Planung der Altersvorsorge nicht einbezogen werden sollten, so z.B. bezogen auf die erforderliche Tilgung zum Zeitpunkt des Rentenbeitritts noch offene Darlehen. Die äußerst schwankungsanfällige, stichtagsbezogene Beteiligung an noch nicht einmal realisierten Bilanzgewinnen der Versichertengemeinschaft sind naturgemäß nicht planbar. Gleichwohl waren sich die Regierungsparteien darin einig, aktuelle Erkenntnisse zu möglichen Härtefällen aufzugreifen und durch eine gesetzliche Kappungsregel die unzumutbare Verminderung des Anteils von nichtrealisierten Bewertungsgewinnen zu vermeiden. Die FDP hat sich damit maßgeblich für eine Lösung eingesetzt, die allen Versicherten eine angemessene Gewinnbeteiligung garantiert. Es bleibt zu unterstreichen, dass die Unternehmen selbst, unabhängig von der konkreten Lösung, keinen Cent mehr an den Verträgen verdienen. Vergleichbare Medienaussagen in den letzten Wochen sind irreführend. Es geht allein um die Verlässlichkeit künftiger Zahlungen für alle Versicherten. Zudem werden in der Öffentlichkeit immer wieder nicht vergleichbare Zahlbeträge aus aktuellen Rückkaufswerten und streitbaren Prognosen späterer Leistungen gegenüber gestellt. Hier werden die Versicherten verunsichert und verlieren aufgrund falscher Ratsschläge unter Umständen sogar Geld.
Mit den unten erläuterten Antworten hoffe ich, die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit der ursprünglich geplanten Aufteilung der Bewertungsreserven bei Kapitallebensversicherungen zu beantworten:
Was sollte sich durch die vom Bundestag beschlossene Neuregelung eigentlich ändern?
Zum besseren Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass sich der Auszahlungsbetrag eines Lebensversicherungsvertrages in der Regel aus drei Elementen zusammensetzt. Dabei handelt es sich um
1. die bei Vertragsabschluss garantierte Leistung
2. die Überschussbeteiligung einschließlich des erst zum Vertragsende feststehenden Anteils am Schlussgewinn
3. die Beteiligung an den so genannten Bewertungsreserven.
Nur bei den Bewertungsreserven (3) sollte sich durch die Neuregelung etwas ändern: Nach der Neuregelung hätte die Beteiligung der ausscheidenden Versicherten an den Bewertungsreserven (3) in einem bestimmten Fall gekürzt werden können. Dieser Fall wäre eingetreten, wenn die Marktzinsen zu niedrig sind. Denn dann besteht die Gefahr, dass das Versicherungsunternehmen nicht mehr genügend Erträge erzielen kann, um den verbleibenden Versicherten, die ihnen bei Auslaufen ihrer Verträge zustehende garantierte Leistung und Überschussbeteiligung (1 und 2) zahlen zu können. Die Neuregelung hätte somit verhindert, dass die jetzt ausscheidenden Versicherten, den Kapitalbestand zu Lasten der verbleibenden Versicherten zu sehr verbrauchen.
Wäre mir etwas weggenommen worden, was mir bei Vertragsabschluss versprochen wurde?
Nein. Versicherte werden erst seit 2008 überhaupt an den Bewertungsreserven beteiligt, und zwar zu 50 Prozent. Im Übrigen ist es gar nicht möglich, ein Versprechen über Bewertungsreserven abzugeben, da diese erst am Ende der Laufzeit feststehen und im Zeitablauf stark schwanken. Aus diesem Grund ist es Versicherungsunternehmen auch verboten, mit der Höhe der Bewertungsreserven zu werben.
Was sind diese Bewertungsreserven? Und wie kommen sie zustande?
Das von den Versicherten eingezahlte Geld legt das Versicherungsunternehmen zum Beispiel in sicheren Bundesanleihen an. Bewertungsreserven entstehen, wenn der Preis für eine solche Bundes¬anleihe im Bestand des Versicherungsunternehmens am Markt über den Preis steigt, zu dem das Versicherungsunternehmen diese Anleihe ursprünglich erworben hat. Bei festverzinslichen Wert¬papieren wie Bundesanleihen entstehen Bewertungsreserven insbesondere in Marktsituationen wie der augenblicklichen Niedrigzinsphase. Der Grund dafür ist, dass einige Wertpapiere vor langer Zeit mit einem wesentlich höheren Zinssatz ausgegeben wurden.
Beispiel: Eine Bundesanleihe mit einem Nominalwert von 100 wurde im Jahre 1986 mit einem Zinssatz von 6 Prozent ausgegeben. Gegenwärtig wird die Anleihe zu einem Kurs von 120 Euro gehandelt. Der Kursgewinn in Höhe von 20 Euro - also der Differenz zwischen dem Nominalwert von 100 und dem gegenwärtigen Kurs von 120 - ist keine dauernde Wertsteigerung. Denn bei Fälligkeit der Anleihe im Jahr 2016 wird das Versicherungsunternehmen lediglich den Nominalwert von 100 Euro zurückerhalten. Die Anleihe ist derzeit nur deshalb so wertvoll geworden, weil sie noch vier weitere Jahre Zinsen von 6 Prozent einbringt, wohingegen aktuell gehandelte Anleihen nur etwa zu 1 Prozent verzinst werden.
Die unveränderte Beibehaltung der gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2008 würde in diesem Beispiel dazu führen, dass die Versicherten, deren Verträge aktuell fällig werden, Bewertungsreserven aus dieser Anleihe von 10 Euro (50 Prozent von 20 Euro) ausgezahlt bekommen würden. Dem Versicherungsunternehmen stehen diese 10 Euro selbst aber gar nicht unmittelbar zur Verfügung. Die Wertsteigerung ist nämlich nur vorübergehend und besteht sozusagen nur „auf dem Papier“. Das Versicherungsunternehmen muss deshalb die 10 Euro aus dem allen Versicherten zugehörigen Kapitalbestand erbringen. Dies führt dazu, dass der, für die große Gemeinschaft der beim Versicherungsunternehmen verbleibenden Versicherten, vorgesehene Kapitalbestand aufgezehrt wird und zukünftig nur geringere Erträge erwirtschaften kann.
Warum wäre die Neuregelung fair, wenn ich nun eine geringere Auszahlung bekomme?
An den Bewertungsreserven wird ein Versicherter normalerweise beim Ablauf seines Versicherungs¬vertrags beteiligt. Entscheidend für die Höhe der Auszahlung sind daher die zu diesem Zeitpunkt aktuell bestehenden Bewertungsreserven. Da es sich um eine stichtagsbezogene Betrachtung handelt, kommt es angesichts der gegenwärtig großen Schwankungen bei den Zinssätzen zu großen Ungleichgewichten. Das bedeutet, dass Versicherte je nach augenblicklichem Stand der Kapitalmärkte höhere oder geringere Zuflüsse aus den Bewertungsreserven erhalten. Dies ist mit dem Gedanken einer gerechten Verteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft nicht zu vereinbaren. Zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs zufällig bestehende Bewertungsreserven haben nichts mit den langjährigen Beiträgen der Versicherten zu ihrer Altersvorsorge zu tun. Würde man sie mit den gerade auslaufenden Lebensversicherungsvorhaben ausschütten, ginge das ganz und gar zu Lasten der später fällig werdenden Verträge. Die Neuregelung hätte verhindert, dass die ausscheidenden Versicherten gegenüber den verbleibenden Versicherten bevorzugt werden.
Um unangemessenen Kürzungen bei den in den nächsten Jahren zur Auszahlung kommenden Versicherungsverträgen zu begegnen, hatte die Neuregelung vorgesehen, dass die Kürzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven gedeckelt wird. Diese Deckelung sollte mit der sogenannten Mindestzuführungsverordnung umgesetzt werden, die gleichzeitig mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 21. Dezember 2012 in Kraft treten sollte.
Der Bundesrat hat allerdings in seiner Sitzung am 14. Dezember 2012 Einspruch gegen die Neuregelung erhoben. Dadurch tritt die Neuregelung nicht wie geplant zum 21. Dezember in Kraft - und wie zu Anfang bereits geschrieben, wird sie in dieser Legislaturperiode wohl auch gar nicht mehr in Kraft treten!
Wird durch die Neuregelung Geld von den Versicherten an die Versicherungsunternehmen umverteilt?
Mit den Neuregelungen zu den Bewertungsreserven wäre keine Verschiebung der Beteiligung an den Bewertungsreserven zu Gunsten der Versicherungsunternehmen auf Kosten der Versicherten¬gemeinschaft vorgenommen worden. Ziel der Regelung war vielmehr, für eine Beteiligung aller Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auch in der Zukunft Sorge zu tragen. Es geht bei der Neuregelung darum, die angemessene Kapitalausstattung des Versicherungsbestandes sicherzustellen und einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Versicherungsnehmer auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten angemessene Erträge aus ihren Lebensversicherungen erhalten.
Soll ich meinen Lebensversicherungsvertrag kündigen?
Die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages will wohlüberlegt sein. Ob eine Kündigung sinn¬voll ist, hängt sowohl von der eigenen Lebenssituation, als auch von der Ausgestaltung des Vertrages ab. Der Versicherungsnehmer sollte sich zu dieser Frage an sein Versicherungsunternehmen wenden.
Die laufenden Diskussionen betreffen nur ein Element des Auszahlungsbetrages eines Lebensversi¬cherungsvertrages: die Beteiligung an den Bewertungsreserven. Die Garantieverzinsung und die Überschussbeteiligung einschließlich der Schlussüberschüsse bleiben unberührt. Nur wenn die Anlagen eines Versicherers hohe Bewertungsreserven aufweisen, fließt dem Versicherungsnehmer bei einer Kündigung auch ein hoher Anteil zu. Die Höhe der Bewertungsreserven ist aber von Versicherer zu Versicherer verschieden.
Bei einer Kündigung entfällt zudem die Garantieverzinsung für die Zukunft und regelmäßig die Beteiligung an den Schlussüberschüssen. Auch steuerliche Aspekte können bei der Entscheidung über eine Kündigung eine Rolle spielen.
Vorsicht ist geboten, wenn ein Vermittler zu einer Kündigung rät und für den Kauf eines anderen -möglicherweise für den Kunden nachteiligen - Produktes wirbt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen durch diese ausführliche Darstellung die Notwendigkeit aufzeigen, dass die kommende Bundesregierung – egal welcher Farbe – um eine Neuregelung nicht umhinkommen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Judith Skudelny, MdB