Warum unterstützen Sie die Einführung einer europaweiten 2%-Hürde für Wahlen zum Europäischen Parlament?
Sehr geehrte Frau Ortleb,
Sie haben am 15.06.2023 dafür gestimmt, dass Deutschland einem EU-Beschluss zu Einführung einer 2%-Hürde für Europawahlen zustimmt.
Bereits 2011 urteilte das Bundesverfassungsgericht, eine nationale Hürde von 5% sei verfassungswirdig: Das EU-Parlament wähle keine Regierung, die auf seine andauernde Unterstützung angewiesen sei. Dass seine Arbeit durch den Einzug weiterer Kleinparteien unverhältnismäßig erschwert werde, sei nicht zu erkennen.
Ebenso wurde 2014 eine neue 3%-Hürde beanstandet.
Außerdem kann von einer Zersplitterung des EU-Parlaments keine Rede sein. Von derzeit 705 Abgeordneten sind nur 49 fraktionslos, alle anderen verteilen sich auf sieben Fraktionen.
Bitte erläutern Sie daher Ihr Abstimmungsverhalten.
Meine Quellen sind:
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/josephine-ortleb/abstimmungen?page=2
https://de.wikipedia.org/wiki/Europäisches_Parlament
https://de.wikipedia.org/wiki/Sperrklausel#Europawahl_in_Deutschland
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Frage. Bei 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind aktuell Mitglieder aus 181 verschiedenen Parteien im Europaparlament vertreten. Die meisten dieser Parteien zählen sich zu einer der insgesamt sieben verschiedenen Fraktionen. Jedoch unterscheiden sich die Ansichten der in einer Fraktion vertretenen Parteien zum Teil stark. Das ist zum einen ein positiver Ausdruck der politischen Pluralität innerhalb der Europäischen Union. Zum anderen sollte sich bei einem der größten Parlamente der Erde und einer derart vielfältigen Parteienlandschaft jedoch auch die Frage nach einer möglichen Einschränkung der Arbeitsweise des Parlaments stellen.
Genau auf diese Frage hat der Rat der Europäischen Union im Juli 2018 versucht, eine angemessene Antwort zu finden. Der sogenannte und damals beschlossenen Direktwahlakt 2018 verpflichtet Deutschland dazu, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von nicht weniger als zwei Prozent festzulegen. Mit dem Beschluss vom 15.06.2023 hat der Deutsche Bundestag dies umgesetzt.
Die beschlossene Zwei-Prozent-Sperrklausel hat nicht nur das Ziel, eine zunehmende Zersplitterung im EU-Parlament zu verhindern. Hintergrund ist auch, dass wir sicherstellen möchten, dass die Vertretung Deutschlands innerhalb des Europäischen Parlaments stark und entschlossen vonstattengehen kann. Wir möchten damit auch die Handlungsfähigkeit des ganzen Parlaments stärken. Die vergangenen paar Jahre mit ihren vielfältigen Krisen und Herausforderungen haben uns eindrücklich gezeigt, wie wichtig diese Handlungsfähigkeit gerade jetzt ist. Ich denke daher, dass wir mit der Einführung der 2-Prozent-Hürde eine gute Lösung sowohl zur Sicherstellung der politischen Pluralität als auch zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit des Europaparlaments gefunden haben.
Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Josephine Ortleb