Frage an Joachim Herrmann von Stefan F. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Minister Herrmann,
am 17.07.2019 wurde vom Bundeskabinett das Masernschutzgesetz (=Impfpflicht) auf den Weg gebracht, mit dem Hinweis, dass dieses keiner Zustimmung des Bundesrates bedarf.
In weiten Teilen der Bevölkerung macht sich Unmut über diesen Gesetzentwurf breit, der einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte (körperliche Unversehrtheit, Elternrecht auf Pflege und Erziehung, Selbstbestimmung) darstellt.
Eine Petition ("Deutschland braucht keine Impfpflicht"), die mehr als 143.000 Stimmen zählt, wurde bisher leider ignoriert. Zahlreiche Experten (z.B. Deutsche Ethikrat, RKI, STIKO, DEGAM) äußern sich negativ zu einer Impfpflicht gegen die Masern. Demnach gebe es zahlreiche Alternativen, die einer Impfpflicht vorzuziehen wären.
Ich möchte Sie als Juristen dazu befragen, wie Sie die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Bundesrat sehen und ob Sie persönlich bzw. die im Bundestag vertretenen CSU-Abgeordneten versuchen werden, dieses Gesetz zu stoppen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
S. F.
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Frage vom 25. Juli 2019 auf abgeordnetenwatch.de zu dem „Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz)“. Sie haben dabei konkret nach meiner Meinung zur Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates gefragt.
Der Gesetzentwurf wurde am 17. Juli 2019 vom Bundeskabinett beschlossen und mittlerweile dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Dieser wird bei seiner nächsten Sitzung am 20. September 2019 eine erste Stellungnahme abgeben, bevor der Gesetzentwurf dann im Deutschen Bundestag beraten wird. Im Anschluss daran wird sich der Bundesrat mit dem Gesetz dann in einem weiteren Durchgang nochmals befassen.
Die Frage, ob ein Gesetz ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz ist, ist keine politische, sondern eine rein juristische Fragestellung und bestimmt sich nach den Vorgaben des Grundgesetzes. Das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz ist nach dem Grundgesetz die Ausnahme. Auch das Masernschutzgesetz ist nicht durch den Bundesrat zustimmungsbedürftig. Der Zustimmung bedürfen Gesetze nämlich nur dann, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt (Enumerationsprinzip). Ungeschriebene Zustimmungserfordernisse gibt es nicht. Eine Zustimmungsbedürftigkeit wird auch nicht allein dadurch begründet, dass in Länderinteressen eingegriffen wird. Ausdrückliche Regelungen über die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen finden sich über das ganze Grundgesetz verteilt. Keine dieser Regelungen trifft jedoch auf das Masernschutzgesetz zu.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns als Bayerische Staatsregierung – insbesondere meine Fachkollegin, Frau Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml – den Gesetzentwurf sehr genau anschauen werden. Unbestreitbar ist, dass die Masern zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten gehören und eine Impfung den besten Schutz dagegen bietet. Ob eine Impfpflicht dabei der richtige Weg ist, muss nun genau betrachtet werden, denn zweifelsohne greift diese in die Grundrechte jedes Bürgers ein und ist deshalb gut zu begründen. Allerdings muss auch bedacht werden, dass es bei einer Impfung nicht nur um den eigenen Schutz des Einzelnen geht, sondern zugleich um das Allgemeinwohl. Hier gilt es, vor allem Säuglinge und Menschen mit einem schwachen Immunsystem zu schützen, die nicht geimpft werden können.
Es muss uns daher beunruhigen, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor wenigen Tagen erst Alarm geschlagen hat, dass es im ersten Halbjahr 2019 global betrachtet die höchste Zahl an gemeldeten Masernerkrankungen im Vergleich zum gleichen Zeitraum seit dem Jahr 2006 gegeben hat. Dies alles gilt es zu berücksichtigen, wenn es um die Frage geht, welcher Weg zur Bekämpfung dieser schlimmen, im Einzelfall auch tödlich verlaufenden Krankheit der beste ist.
Ich bitte Sie um Ihr Verständnis, dass ich aufgrund des laufenden Verfahrens im Bundesrat nicht noch deutlicher auf den Sachverhalt eingehen kann. Wichtig bleibt für mich persönlich, dass die Masern-Impfquoten weiter und im Ergebnis so stark erhöht werden, dass dem Virus die Möglichkeit genommen ist, sich zu verbreiten. Das Ziel der WHO, die Masern bis 2020 auszurotten, halte ich für richtig. Sollte dies im Wege der Freiwilligkeit nicht realisierbar sein, hielte ich persönlich eine Impfpflicht für vertretbar.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL