Wie kann es sein, dass Menschen, die in Berufen arbeiten, die benötigt werden, abgeschoben werden?
Sehr geehrter Herr Herrmann,
warum sollen Menschen abgeschoben werden, die in einem Beruf arbeiten wollen, in dem es an Fachkräften fehlt? Auf der anderen Seite fährt Herr Söder nach Albanien und Rumänien, um für diese Berufe Menschen anzuwerben.
Wenn jemand den Willen hat sich zu integrieren, arbeiten möchte und dafür sogar eine Ausbildung macht und dann auch noch in einem Bereich, in dem es uns an Fachkräften mangelt, dann ist es nicht nachvollziehbar, warum überhaupt darüber nachgedacht wird eine Abschiebung durchzuführen.
Gleichzeitig bietet man den Menschen aber ein Wiederkehr durch ein Visum an. Meinen Sie, dass man so Fachkräfte für Deutschland oder in Ihrem Fall Bayern begeistern kann? Den Fachkräftemangel vor Augen, sollte man sich hier anders verhalten.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/gefluechtete-ukraine-nigeria-abschiebung-fachkraefte-1.5771402
Mit freundlichen Grüßen,
H.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre weitere Anfrage, zu der ich Ihnen Folgendes mitteilen kann:
Die legale Arbeitsmarktzuwanderung einerseits und die Asylmigration andererseits sind voneinander zu trennen. Wer zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland kommen will, hat grundsätzlich den dafür vorgesehenen Weg des Visumverfahrens zu beschreiten. Das Asylverfahren dient dem Schutz vor Bürgerkrieg und Verfolgung und nicht der Behebung eines Arbeits- und Fachkräftemangels. Ausreisepflichtige Ausländer, die erfolglos ein Asyl(klage)verfahren durchlaufen und keine Verfolgung in ihrem Heimatland zu befürchten haben, müssen nach den geltenden bundesgesetzlichen Vorgaben grundsätzlich auch wieder dorthin zurückkehren. Bei ihnen steht nach dem Willen des Bundesgesetzgebers sowie der derzeitigen Gesetzeslage nicht die Integration in den Arbeitsmarkt, sondern die Aufenthaltsbeendigung im Vordergrund. (Gesetzliche) Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber mit der Ausbildungs- (sog. 3+2-Regelung) und der Beschäftigungsduldung sowie dem zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Chancen-Aufenthaltsrecht im Falle der Absolvierung einer qualifizierten Ausbildung sowie bei herausragend gut integrierten Geduldeten und Geduldeten mit langem Voraufenthalt im Bundesgebiet geschaffen. Die bayerischen Ausländerbehörden sind an die in den Asylverfahren getroffenen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie den vom Bund vorgegebenen Rechtsrahmen gebunden. Sie wenden – wie die hohe Zahl an Personen im Besitz einer Ausbildungsduldung zeigt – insbesondere die 3+2-Regelung offensiv an und ermöglichen gut integrierten Geduldeten im Rahmen des geltenden Bundesrechts – gerade auch in Bereichen, die besonders unter dem Fachkräftemangel leiden – die Ausübung einer Beschäftigung.
Für aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige ergeben sich eine Reihe von Besonderheiten durch den vom Rat der Europäischen Union am 4. März 2022 getroffenen Beschluss zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine sowie durch Vorgaben des Bundes. Die Ausländerbehörden prüfen jeden Einzelfall auf Grundlage des geltenden Rechts und beteiligen ggf. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. So auch im Fall des nigerianischen Ehepaares, den die Süddeutsche Zeitung in dem von Ihnen verlinkten Artikel aufgegriffen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL