Wer alles sollte Afghanistan-Flüchtlinge aufnehmen und warum?
Sehr geehrter Herr Herrmann,
Streit über die Schuld an dem Chaos in Afghanistan wird uns zu keiner Lösung führen. Zielführend finde ich die Frage der Verantwortung. Die NATO-Mitglieder haben den militärischen Einsatz beschlossen und müssen deshalb gemeinsam das Ergebnis verantworten - also auch den Flüchtlingsstrom.
Jemand, der die zu erwartenden Flüchtlinge "regional" verschieben möchte (z.B. Armin Laschet), jemand, der schon jetzt kategorisch deren Aufnahme ablehnt (z.B. Sebastian Kurz) hat noch nicht kapiert, was Verantwortung bedeutet! Hat es Herr Biden in Washington bereits verstanden? Wir Europäer, insbes. auch unsere Bundesregierung, sollten, falls nötig, ihn zur Aufnahme von Flüchtlingen auffordern. Würde jeder der Beteiligten seine Mitverantwortung anerkennen, dann wäre das Aushandeln einer Lastenverteilung leichter. Das wäre dann ein wesentlicher Unterschied zu 2015, das sich ja angeblich nicht wiederholen sollte.
Welches ist ihre Position in dieser Frage?
Sehr geehrter Herr L.,
danke für Ihre Frage dazu, wer Verantwortung angesichts der Situation in Afghanistan tragen muss.
Als Erstes möchte ich betonen, dass selbstverständlich eine humanitäre Verantwortung für jene Personen besteht, welche die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen ihres zivilen und militärischen Engagements in Afghanistan unterstützt haben. Dies sind zum einen die ehemaligen afghanischen Ortskräfte mit deren Familien und zum anderen besonders gefährdete Personen wie z.B. Journalistinnen und Journalisten sowie Personen, die sich für Menschenrechte eingesetzt haben. Der Freistaat Bayern hat sich deshalb in der Vergangenheit und wird sich auch in Zukunft angemessen an der Aufnahme dieser Personen beteiligen.
Klar ist aber auch, dass zur Bewältigung der aktuellen Situation vorrangig die westliche Staatengemeinschaft und allen voran die USA gefragt sind. Dabei sollte prioritär auf finanzielle und strukturelle Unterstützung der Nachbarstaaten Afghanistans und von internationalen Organisation wie das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) gesetzt werden. Denn Hilfe vor Ort in Afghanistan und in den Nachbarstaaten ist von zentraler und vorrangiger Bedeutung. Sie verhindert irreguläre Fluchtbewegungen, die ebenfalls zu menschlichem Leid führen. Daneben sollte die internationale Gemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen parallel Resettlement-Maßnahmen für besonders vulnerable Personen einführen. Auch die Europäische Union muss hier einen angemessenen Beitrag leisten.
Ich bedanke mich für Ihre Zuschrift und wünsche Ihnen alles Gute und beste Gesundheit!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Joachim Herrmann