Warum war es möglich dieses Abkommen über HomeOffice Möglichkeit für D/CH/FR zu erreichen und für Österreich / Deutschland nicht?
Erleichterung bei vielen Schweizer Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in Grenznähe: Sie bleiben frei darin, ihren Mitarbeitenden mit Wohnsitz in Deutschland oder Frankreich Homeoffice zu gewähren. Bis zu 100 Prozent ist das derzeit möglich – und wird es auch in den kommenden Monaten bleiben.
Bisher war das in diesem Umfang nur dank einer coronabedingten Sonderregelung erlaubt. Diese hätte eigentlich am 30. Juni enden sollen. Doch jetzt wurde ihre Gültigkeit um ein halbes Jahr verlängert. Damit ist es den Grenzgängerinnen und Grenzgängern weiter möglich, mehr als 60 Tage im Jahr im Homeoffice zu arbeiten, ohne dass sie dabei ihren privilegierten Status verlieren.
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 22. Juni 2022, in der Sie die pandemiebedingten Homeoffice-Sonderregelungen für Grenzgänger aufgreifen und die unterschiedliche Ausgestaltung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Maßnahmen mit den angrenzenden Staaten – insbesondere mit Österreich und der Schweiz – thematisieren.
Grundsätzlich will Deutschland mit seinem Steuerrecht sowohl die doppelte Besteuerung bzw. die doppelte Nichtbesteuerung von Personen und Unternehmen vermeiden. Denn jeder soll seinen fairen Anteil an Steuern zahlen – und zwar dort, wo er ansässig ist oder seine wirtschaftliche Aktivität ausübt. Deshalb werden in Form von Doppelbesteuerungsabkommen zwischenstaatliche Verträge geschlossen, die für Personen, die in einem Vertragsstaat ansässig sind und Einkünfte aus Quellen im anderen Vertragsstaat erzielen, regeln, welchem der beiden Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht zusteht und wie eine Doppelbesteuerung zu vermeiden ist.
Dabei gilt, dass für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit dem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Wird die Tätigkeit sowohl vor Ort im Betrieb (= Quellenstaat) als auch im Home-Office (= im Ansässigkeitsstaat) ausgeübt, ist das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn grundsätzlich entsprechend der Arbeitstage zwischen diesen beiden Staaten aufzuteilen. Der Arbeitnehmer wird insoweit zwar in beiden Staaten einkommensteuerpflichtig, aber jeweils nur mit einem Teil des Arbeitslohns; eine Doppelbesteuerung findet nicht statt. Mit einigen Ländern, darunter Österreich und die Schweiz, besteht eine Ausnahme hiervon in Form einer Grenzgängerregelung, nach der das Besteuerungsrecht vollständig beim Ansässigkeitsstaat verbleibt. Voraussetzung ist u. a. eine tägliche Rückkehr vom Arbeitsort zum Wohnsitz, wobei eine bestimmte Anzahl an „Nichtrückkehrtagen“ unschädlich ist.
Die Bewertung einer Home-Office Tätigkeit ist in den Doppelbesteuerungsabkommen nicht einheitlich geregelt. Ein erhöhtes Maß an Home-Office Tagen, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat ausübt und keine Pendelbewegung über die Grenze erfolgt, kann daher zu einer Änderung der steuerlichen Situation der betroffenen Beschäftigten in Folge einer Änderung der Aufteilung der Besteuerungsrechte oder dem Wegfall der Grenzgängereigenschaft durch Überschreitung der Nichtrückkehrtage führen.
Aus diesem Grund wurden mit den benachbarten Staaten Konsultationsvereinbarungen getroffen, um für die betroffenen Beschäftigten eine Änderung der Aufteilung der Besteuerungsrechte aufgrund einer durch die Umsetzung der von den Gesundheitsbehörden empfohlenen Maßnahmen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens bedingten höheren Anzahl von „Home Office“-Tagen zu verhindern. Vor dem Hintergrund der nun weitgehend auslaufenden Eindämmungsmaßnahmen bezüglich des Pandemiegeschehens wurden diese befristeten steuerlichen Konsultationsvereinbarungen jedoch nicht mehr über den 30. Juni 2022 hinaus verlängert. Dies betrifft auch die mit der Schweiz abgeschlossene Konsultationsvereinbarung. Ab dem 1. Juli 2022 finden mit allen Staaten wieder die allgemeinen Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung. Gerne können Sie die geltenden Regelungen zu den Doppelbesteuerungsabkommen mit den einzelnen Ländern auch auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums nachlesen.
Dagegen wurden die im Zuge der Corona-Pandemie im anwendbaren Sozialversicherungsrecht für Grenzgänger im Home-Office getroffenen Sonderregelungen mit einer flexiblen Anwendung der EU-Unterstellungsregeln im Bereich der sozialen Sicherheit im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens und des EFTA-Übereinkommens bis 31. Dezember 2022 verlängert. Darauf haben sich die Mitglieder der EU-Verwaltungskommission für die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit am 14. Juni 2022 verständigt. So soll allen Beteiligten genug Zeit eingeräumt werden, um sich auf etwaige Wechsel des anwendbaren Rechts einzustellen, bzw. Ausnahmevereinbarungen beantragen zu können. Bis einschließlich 31. Dezember 2022 ergeben sich somit aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht für Grenzgänger der Mitgliedstaaten, die vorübergehend ihre Tätigkeit von zu Hause ausüben, keine Änderungen hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts. Sie erwartet keine Doppelbelastung bei der Sozialversicherung oder eine erforderliche A1 Bescheinigung. Dabei zählen in diesem Zusammenhang zu den Mitgliedstaaten alle Mitgliedstaaten der EU, also entgegen Ihrer Annahme auch Österreich, des EWR (neben den EU-Staaten wären dies Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie die Schweiz. Da die von Ihnen aufgegriffenen sozialversicherungsrechtlichen Sonderregelungen sowohl für Österreich als auch die Schweiz weiter fortbestehen, ist die Rechtslage anders, als in Ihrer Anfrage beschrieben. Daher rege ich an, dass Sie sich bezüglich Ihrer konkreten Situation bei Bedarf von der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland zu Ihrem Anliegen genauer beraten lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL