Möchte die CSU eine Frauenquote in parteilichen Ämtern und bei politischen Mandaten?
Sehr geehrter Herr Herrmann,
in den letzten Tagen habe ich den Vorfall über die Landesliste der Grünen im Saarland verfolgt, welche aufgrund von starken innerparteilichen Streitigkeiten nicht zur Bundestagswahl zugelassen wurde. Der Grund war, dass sich zunächst auf keine Frau für den ersten Platz der Landesliste geeinigt werden konnte. Die Landesliste für die CSU ist dieses mal auch paritätisch besetzt worden. Da mir das Handeln der Grünen im Saarland als falsch erscheint wende ich mich mit dieser Frage an Sie. Wollen Sie und die CSU in Bayern eine feste Frauenquote einführen beispielsweise für Wahllisten? Oder wollen Sie am Kurs der Chancengleichheit festhalten der meiner Meinung nach durch eine strikte Frauenquote geschädigt wird? Ich freue mich auf Ihre Antwort und danke Ihnen für diese im voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Marius Reinsch
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Nachricht, in der Sie sich zur CSU und insbesondere zu der Frage einer festen Frauenquote bei der Aufstellung von Wahllisten äußern.
Der geschlechterproportionalen Besetzung von Kandidatenlisten durch eine strikte gesetzliche Quote stehen grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, weil sie in das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl, die Betätigungs- und Programmfreiheit, die Wahlvorschlagsfreiheit sowie die Chancengleichheit politischer Parteien eingreift. Die paritätische Besetzung von Wahllisten war bereits mehrfach Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen: So hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH, Entsch. v. 26.3.2018, Vf. 15-VII-16) eine Popularklage, die das Ziel geschlechterproportionaler Wahlvorschläge verfolgte, abgewiesen. Die Landesverfassungsgerichte in Thüringen (Entsch. v. 15.7.2020, VerfGH 2/20) und Brandenburg (Entsch. v. 23.10.2020, VfGBbg 9/19 und 55/19) haben die jeweiligen Paritätsregelungen in den Landeswahlgesetzen für nichtig erklärt. Und auch das Bundesverfassungsgericht ließ in seinem Beschluss vom 15.12.2020 (2 BvC 46/19) erkennen, dass es eine Besetzung von Kandidatenlisten strikt nach Quote verfassungsrechtlich kritisch beurteilt.
Verfassungsrechtlich unbedenklich sind hingegen satzungsmäßige Regelungen der Parteien, mit denen sie sich zu einer geschlechterparitätischen Besetzung ihrer Kandidatenlisten selbst verpflichten, so wie es die CSU im Fall der Landesliste für die anstehende Bundestagswahl getan hat. Es ist Ausdruck ihrer jeweiligen politischen Zielsetzung und Programmatik und damit Teil ihrer Positionierung im Wettbewerb um die Gewinnung von Unterstützern und Wählerstimmen, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln Parteien Frauenförderung in verschiedenen Lebensbereichen betreiben wollen. Den Parteien steht es daher frei, sich als Ausdruck ihres politischen Selbstverständnisses satzungsmäßig zur gleichmäßigen Besetzung von Wahlvorschlagslisten mit Frauen und Männern zu verpflichten (so ausdrücklich auch VerfGH, Entsch. v. 26.3.2018, a. a. O.).
Auf Bundesebene soll die nach § 55 Satz 3 Bundeswahlgesetz (BWG) beim Deutschen Bundestag einzusetzende Reformkommission Maßnahmen empfehlen, um eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten und im Deutschen Bundestag zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann