Frage an Joachim Herrmann von Ulrich O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hermann,
der aktuelle G7-Gipfel stellt Sie vor die große Herausforderung, die Sicherheit der wichtigsten Politiker und deren Anhang zu garantieren. Gleichzeitig stellt die Operation einen gewaltigen Kostenfaktor dar; die Rede ist von 250-350 Millionen Euro für ein Spektakel, dass gerade einmal zwei Tage andauert. Für nur sieben Personen eine doch recht teure Übernachtung im malerischen Oberbayern.
- Gäbe es in Bayern nicht besser geeignete (leichter zu sichernde) Orte, die in weniger Kosten resultieren? Wenn ja, wieso wurden diese nicht genutzt?
Noch bedenklicher als die Kosten ist jedoch in meinen Augen das repressive, wenn nicht gar verfassungsfeindliche Vorgehen des bayerischen Innenministeriums (Das Gericht spricht von einem "repressiven Totalverbot"!), also Ihres Ressorts. Auf SZ.de wird berichtet, dass "[e]in Bürgermeister aus der Region berichtete, er und seine Kollegen seien vom Landratsamt Weilheim-Schongau aufgefordert worden, Landwirte daran zu hindern, den Gipfelgegnern Grundstücke zum Campen zu überlassen. Falls die Bauern nicht folgten, sollten sie öffentlich geächtet werden. Die Anweisung soll direkt vom Innenministerium gekommen sein."
Als Jurist sollte Ihnen die Bedeutung von Art. 5 und 8 GG klar sein, möchte man meinen - selbst das wahrlich nicht als liberal geltende Landesgericht München stellte die "überragende Bedeutung" der Meinungsfreiheit fest und kippte obige Anordnung.
- War Ihnen trotz Ihrer juristischen Ausbildung nicht klar, dass Ihre Anweisung gegen geltendes Recht verstoßen würde?
- Welche Bedeutung haben für Sie persönlich das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit?
- Wie kann es sein, dass Sie die Grund- und Bürgerrechte von tausenden potentiellen Demonstranten geringer schätzen, als die Ungestörtheit einer Handvoll Politiker?
- Glauben Sie, dass Repression und staatlich forcierte Sicherheit wichtiger als Freiheit und Pluralismus sind?
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Oberender
Sehr geehrter Herr Oberender,
für Ihr Schreiben über www.abgeordnetenwatch.de, in welchem Sie den G7-Gipfel 2015 thematisieren, darf ich mich bedanken.
Turnusgemäß hat Deutschland im vergangenen Jahr die G7-Präsidentschaft übernommen. Als Gastgeberin des diesjährigen G7-Gipfel am 7. und 8. Juni 2015 oblag es der Entscheidung von Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, dass der Gipfel in Bayern auf Schloss Elmau tagte.
Die Bayerische Staatsregierung war sich stets ihrer Verantwortung für dieses politische Großereignis bewusst und hat den Bund in der Vorbereitung und Abwicklung des Gipfeltreffens bestmöglich unterstützt.
Im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit war es vor allem die Aufgabe der polizeilichen und nichtpolizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Bayern für den sicheren Ablauf dieser Veranstaltung zu sorgen.
Das hierzu über viele Monate ausgefeilte Sicherheitskonzept hat sich voll und ganz bewährt. Durch den hoch engagierten, äußerst professionellen und mit viel Fingerspitzengefühl bewältigten Einsatz unserer Sicherheitskräfte konnten wir die mit dem Gipfeltreffen verbundene Herausforderung zur Gewährleistung der Sicherheit für die Gipfelteilnehmer sowie der Bürgerinnen und Bürger erfolgreich bewältigen:
1. Bayern hat sich der Weltöffentlichkeit von seiner allerbesten Seite gezeigt und als guter Gastgeber präsentiert.
2. Wir haben einen absolut reibungslosen und sicheren Gipfel gewährleistet.
3. Wir haben die im Grundgesetz garantierte Demonstrationsfreiheit aller friedlichen Bürgerinnen und Bürger garantiert.
4. Wir haben dafür gesorgt, dass die Beeinträchtigungen der Bürgerinnen und Bürger im Werdenfelser Land so gering wie möglich ausgefallen sind.
5. Wir haben dem hohen Stellenwert des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit besonders Rechnung getragen.
Besonnen und mit Augenmaß, aber konsequent – so haben die Polizistinnen und Polizisten aus Bayern, aus allen deutschen Ländern sowie aus Österreich gewährleistet, dass wir bayerische Gastlichkeit, kulturelle Vielfalt und eine wunderbare Landschaft in alle Welt tragen konnten: Eine Werbung für unseren Freistaat wie aus dem Bilderbuch.
Natürlich fallen bei der Gewährleistung der Sicherheit eines solchen Großereignisses auch Kosten an. Die tatsächlichen Gesamtkosten zur Bewältigung der polizeilichen Einsatzlage „G7-Gipfel 2015“ können jedoch erst nach vollständiger haushalterischer Abwicklung des Einsatzes beziffert werden, d. h. wenn beispielsweise die sog. Verbrauchskosten wie etwa Treibstoff oder die einsatzbedingten Mehrkosten für Unterstützungskräfte anderer Länder vorliegen. Zu den derzeit vom Bayerischen Landtag bewilligten Haushaltsmittel im Bereich der Bayerischen Polizei anlässlich des G7-Gipfels 2015 verweise ich allgemein auf den Haushaltsplan 2015/16, Einzelplan 03 A (Allgemeine Innere Verwaltung) bei Kap. 03 03 TG 78 – 81, den Sie im Internet einsehen können unter: http://www.stmflh.bayern.de/haushalt/staatshaushalt_2015/haushaltsplan/Epl03A.pdf .
Was den Mitteleinsatz selbst anbelangt, so habe ich besonderen Wert auf eine entsprechende Nachhaltigkeit gelegt. Konkret bedeutet dies, dass die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Bayern zunächst versucht haben – soweit als möglich – spezifische Einsatzmittel über andere Behörden, wie etwa über die Polizeien der Länder und des Bundes bzw. der Bundeswehr gestellt zu bekommen. Bei allen darüber hinausgehenden Beschaffungen berücksichtigten sie in Abwägung mit den zwingenden taktischen Bedarfen, ob und ggf. wie die Einsatzmittel auch nach dem G7-Gipfel 2015 verwendet werden können. Mir war und ist es wichtig, dass die sog. „verlorenen Kosten“ möglichst gering gehalten werden.
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist für mich ganz unstrittig ein hohes und unverzichtbares Gut in unserer demokratischen Werteordnung. Daher ist es mir ein Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Demonstrationsrecht friedlich ausüben können. Friedliche Demonstranten sind in Bayern immer herzlich willkommen.
Einschränkungen der Versammlungsfreiheit werden daher nur dort getroffen, wo sie zwingend erforderlich sind. Dabei werden die Maßnahmen stets unter der Maxime vorgenommen, der Grundrechtsausübung größtmögliche Geltung zu verschaffen. Ich weise darauf hin, dass der Bayerische Verwaltungsgerichthof das Sicherheitskonzept zur Einrichtung eines Sicherheitsbereiches, in dem Versammlungen nicht möglich waren als rechtmäßig befand. Auch die Beschränkungen des Sternmarsches nach Elmau erklärte das Bayerische Verwaltungsgerichtshof für nötig und rechtmäßig. Dies zeigt, dass die Sicherheitsbehörden maßvoll handelten und Eingriffe in die Versammlungsfreiheit auf das Unerlässliche beschränkten.
Was den G7-Gipfel 2015 anbelangt, so mussten wir in Betracht ziehen, dass bei vergleichbaren Veranstaltungen in der Vergangenheit – wie z. B. beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm – die Errichtung von Camps jeweils erklärtes Ziel von Veranstaltungskritikern war. Soweit sie errichtet wurden, verhielt sich zwar der überwiegende Teil der Camp-Bewohner friedlich. Innerhalb formierten sich jedoch zum Teil straff organisierte, militante und äußerst gewaltbereite Gruppierungen, die im Schutz des Camps gewalttätige Aktionen planten und durchführten. Sicherheitsbehörden hingegen wurde durch Abschottung der Zugang zu den Camps erfolgreich verwehrt.
Mit Blick hierauf war ich mir mit den örtlichen kommunalpolitischen Verantwortungsträgern einig, die Errichtung von Camps bereits im Vorhinein – soweit rechtlich möglich – zu verhindern. Dies sollte in erster Linie durch eine Sensibilisierung der Interessenverbände vor Ort sowie auch der Grundstückseigentümer erfolgen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat den Gemeinden in der Umgebung von Garmisch jedoch zu keinem Zeitpunkt Anweisungen zu Camps gegeben. Allerdings wurde die Regierung von Oberbayern seitens meines Hauses gebeten, die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden für das Thema „Camps“ im Zusammenhang mit dem G7-Gipfel 2015 zu sensibilisieren. Die Regierung von Oberbayern hat daraufhin die Kreisverwaltungsbehörden, in deren Zuständigkeitsbereich Camps im Zusammenhang mit dem G7-Gipfel 2015 errichtet werden könnten, auf einer Dienstbesprechung über die entsprechende Rechtslage informiert. Hierbei wurde unter anderem auch empfohlen, einen entwickelten Mustermietvertrag zu verwenden.
Die grundsätzliche Haltung, die Errichtung von Camps – soweit rechtlich möglich – zu verhindern, hat sich bewährt und war nach polizeilicher Einschätzung durchaus ein wichtiger Beitrag zum weitgehend friedlichen Verlauf der Veranstaltungen rund um den G7-Gipfel 2015.
Auch durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts München sehe ich diese Haltung nicht in Frage gestellt. So hat das Gericht in seiner Entscheidung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass zum Schutz von Leben und Gesundheit der Camp-Teilnehmer sowie zum Schutz von Eigentum und Besitz der umliegenden Eigentümer von Wiesengrundstücken die Erteilung von Auflagen ausreichend sei. Die polizeiliche Gefährdungsprognose wurde durch das Gericht allerdings im Grundsatz nicht in Zweifel gezogen.
Ich möchte jedoch betonen, dass es im Kontext zum G7-Gipfel 2015 viele friedliche und kreative Proteste gegeben hat. Ich danke allen friedlichen Demonstranten, die sich durch einige wenige Chaoten nicht zur Gewalt verführen ließen.
In der Gesamtschau bin ich der Überzeugung, dass der G7-Gipfel 2015 in Elmau eine hervorragende Möglichkeit geboten hat, Bayern in der ganzen Welt als perfekten Gastgeber sowie mit seiner attraktiven Landschaft und kulturellen Vielfalt zu präsentieren. Der G7-Gipfel 2015 war aus meiner Sicht damit für Bayern eine gut angelegte Investition in ein nachhaltig positives Bayern-Bild, das Fernwirkung in den Bereichen „Tourismus“ und „Wirtschaft“ erzielen und auch dem Ansehen Bayerns in der Welt und somit letztlich den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern dienen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL