Frage an Joachim Herrmann von Edgar S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Minister,
die Höhe der Regelsätze nach dem SGB wurden und werden sehr kontrovers diskutiert. Sie sind so, wie sie sind. Fakt ist aber, daß es in der Gruppe der Empfänger von Transferleistungen bis zu 14 Tage vor dem Ultimo mehr oder minder regelmäßig zur finanziellen Engpässen unterschiedlichen Grades kommt, aus welchen Gründen auch immer. Daß solche Prekarier nicht auf Rücklagen zurückgreifen können, ist leicht erkennbar.
Der Erhalt eines „Knöllchens“ ist insofern ein u.U. traumatisches Erlebnis, da das Verwarnungsgeld binnen einer Woche zu zahlen ist und wenn das nicht erfolgt, weitere Kosten unvermeidbar sind.
Ich stehe mit Prekariern in Verbindung. Deren Erfahrung zeigt, daß Bayerische Polizeikräfte und deren Verwaltungen in solchen Fällen berechtigte Einwendungen bzw. Anträge Zahlungsunfähiger mit dem Hinweis auf Gleichbehandlung, Vermeidung von Privilegierung und letztlich mangelnder Glaubhaftmachung abschmettern.
Regelmäßig wird auch von Polizeikräften vor Ort strikt verneint, nach freiem Ermessen eine Verwarnung auch ohne Verwarnungsgeld aussprechen zu dürfen.
Der regelmäßige Vorhalt von Polizeikräften und der Polizeiverwaltung, privilegiert werden zu wollen, ist ein untragbarer Mißstand und als manifestierter institutioneller Rassismus zu werten. Wie erläutert, werden Prekarier hier nicht privilegiert, sondern, im ganzen Gegenteil, dadurch diskriminiert, daß sie u.U. die Kosten des Bußgeldverfahrens nicht verhindern können.
Sie müssen sich aber stets Unsinn anhören:
„Gleiches Recht für alle.“
„Sollen wir ihnen das Verwarnungsgeld schenken, nur weil sie arm sind?“
„Harzler kriegen keinen Freibrief.“
Meine Fragen:
1. Besteht eine Dienstanweisung, § 56 Abs.(1) OWiG zu negieren?
2a. Sehen Sie sich veranlaßt, den Polzeikräften für o.g. Fälle Argumentationshilfen zu geben, die nicht diskriminieren?
2b. Wenn ja, wie sollen diese aussehen?
Mit freundlichen Grüßen
Edgar Siemens
Sehr geehrter Herr Siemens,
für Ihr E-Mail-Schreiben vom 13. März 2013, in dem Sie sich mit den Abläufen im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren befassen, danke ich Ihnen.
Das Verwarnungsverfahren soll bei der Ahndung von Verkehrsverstößen eine zügige und unbürokratische Abarbeitung bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten ermöglichen, um durch Zahlung des Verwarnungsgeldes die Einleitung eines Bußgeldverfahrens zu vermeiden. Die Verwarnung erfordert das Einverständnis des Bürgers mit der Verwarnung, das er in der Regel konkludent mit der Zahlung der Verwarnung zum Ausdruck bringt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen müssen daher bei der Bemessung des Verwarnungsgeldes auch unberücksichtigt bleiben.
Grundlage für die Festlegung der Höhe des Verwarnungsgeldes ist der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog. Die Beamtinnen und Beamten der Bayerischen Polizei sind bei der Erteilung von Verwarnungsgeldern daran gebunden.
Eine einheitliche Ahndung von Verkehrsverstößen liegt überdies im Interesse der Verkehrssicherheit. Auch die Folgen von schuldhaft verursachten Verkehrsunfällen unterscheiden sich nicht nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verursacher.
Bei gerichtlichen Überprüfungen von Bußgeldbescheiden hat die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen stets betont, dass jeder Verkehrsteilnehmer, der ein Kfz unterhält bzw. benutzt, grundsätzlich auch in der Lage sein muss, für Verwarnungs- oder Bußgelder bei begangenen Verkehrsverstößen einzustehen. Das gilt auch für Geringverdiener oder Hartz IV-Empfänger.
Die Frist zur Zahlung des Verwarnungsgeldes innerhalb einer Woche ist gesetzlich festgelegt.
Insbesondere muss ich darauf hinweisen, dass grundsätzlich kein Anspruch auf die Erteilung einer Verwarnung besteht. Die Betroffenen können daher insbesondere aus diesem Grund keine gebührenfreie Ahndung der von ihnen begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten verlangen. Ob im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände eine gebührenfreie Verwarnung ausgesprochen werden kann, muss von den Ahndungskräften vor Ort entschieden werden. Die Tatsache allein, dass der Betroffene Harz IV-Empfänger ist, reicht hierzu nicht aus.
Ist der Betroffene mit einer Verwarnung nicht einverstanden, ist diese unwirksam. Es ist ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Hierbei ist es unerheblich, ob die Verwarnung aufgrund Ablehnung nicht zustande kam, der Betroffene das Verwarnungsgeld nicht rechtzeitig einzahlte oder ihn das Verwarnungsangebot nicht erreichte.
Allerdings bestehen für die Betroffenen verschiedene Möglichkeiten, Zahlungserleichterungen (z. B. Stundung, Ratenzahlung) zu erhalten. Die Zentrale Bußgeldstelle ist stets bemüht, den Betroffenen bei Härtefällen und Vorlage entsprechender Nachweise entgegenzukommen. Die Beamten der bayerischen Polizei sind insoweit hinreichend ausgebildet und sensibilisiert.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL