Frage an Jana Schimke von Ann P. bezüglich Verkehr
Liebe Frau Schimke,
ich teile die Sorgen des Herrn Kühler hinsichtlich der geplanten Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung.
Die stets sehr gründlich recherchierte ZDF-Sendung DIE ANSTALT vom April 2017 macht - bei allem satirischen Unterhaltungswert - sehr deutlich, welche Folgen diese Privatisierung für den Bürger haben würde:
Eine ÖPP-Partnerschaft wird favorisiert, obwohl staatlich finanzierter Autobahnbau erheblich günstiger wäre. Im Insolvenzfall haftet der Staat - sprich, der Steuerzahler, wie es in Spanien bereits geschehen ist.
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-autobahn-100.html (der dazugehörige Faktencheck ist auf der ZDF-Seite ebenfalls zu finden).
Meine Frage ist daher ebenfalls, wie Sie den Einfluß privater Investoren kontrollieren wollen, wenn die Grundgesetzänderung, die innerhalb der nächsten beiden Tage schon durch Bundestag und Bundesrat gehen soll?
Mit freundlichen Grüßen,
Ann Purann
Sehr geehrte Frau Purann,
vielen Dank für Ihre Frage. Gerne würde ich Ihnen gegenüber Stellung zur Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft nehmen.
Der Deutsche Bundestag hat am 1. Juni eine Reihe von Gesetzesänderungen verabschiedet, mit dem Ziel, das weltweit hoch angesehene deutsche Autobahnsystem noch weiter zu stärken. Mit der beschlossenen Gründung der sogenannten Infrastrukturgesellschaft Verkehr GmbH werden Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb, Management und Erhalt der Autobahnen künftig zentral beim Bund gebündelt. Dies soll Investitionen beschleunigen und wird dazu beitragen, überregionale Probleme besser zu lösen.
ÖPP-Projekte sind aus einer rein buchhalterischen Betrachtung tendenziell teurer. Die Frage ist allerdings nicht, ob ein Projekt mit privaten Investoren möglicherweise etwas teurer ist. Beachtet werden muss, ob das Projekt ohne private Investoren überhaupt realisiert werden kann. Wenn ein Infrastrukturprojekt nicht gebaut wird, entstehen oft immense volkswirtschaftliche Verluste und auch höhere Umwelt- und Klimabelastungen. Diese entstehen dadurch, dass z. B. zahlreiche LKW länger unterwegs sind (dichter Verkehr, Staugefahr, keine Alternativrouten). Derartige Kosten für die Wirtschaft und die Umweltbelastungen werden bei einer buchhalterischen Betrachtung, wie sie der Bundesrechnungshof durchführt, nicht berücksichtigt.
Dass im Insolvenzfall grundsätzlich der Staat haftet ist richtig. Jedoch ist dieser auch Gesellschafter für das Gesamtnetz deutscher Autobahnen. Die Gesellschaft bekommt vom Bund das Maut-Aufkommen anteilig für ihr zu betreuendes Netz. Insgesamt machen Lkw-Maut und geplante Pkw-Maut rund zehn Milliarden Euro jährlich aus. Kredite aufnehmen darf die GmbH nicht. Bundeseinnahmen werden also weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Finanzierung deutscher Autobahnen sein.
Mir war es außerdem sehr wichtig, dass der Bund zu 100 Prozent Eigentümer der neuen Infrastrukturgesellschaft ist. Private dürfen keine Eigentumsanteile an der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften erwerben. Dies haben wir mit der Bezeichnung „unveräußerliches Alleineigentum“ auch in der Grundgesetzänderung niedergeschrieben. Auf Gesellschafterebene wird es also keine privaten Investoren geben. Auf Projektebene können private Investoren beteiligt werden, aber nur, wenn es im Rahmen der volkswirtschaftlichen Betrachtung für den Staat und damit für die Bürger vorteilhafter ist. Außerdem sind von Investoren finanzierte Projekte auch nur dann möglich, wenn das Vorhaben nicht mehr als 100 Kilometer lang ist. Ein großer Teil der entstehenden Kosten und Verantwortung wird auch weiterhin vom Bund getragen. Die Gesellschaft erstellt zwar jeweils für fünf Jahre Finanzierungs- und Umsetzungspläne. Diese müssen dann aber noch vom Haushalts- und Verkehrsausschuss des Bundestags abgesegnet werden.
Rundum kann ich sagen, dass wir mit den verabschiedeten Gesetzesänderungen gute und sichere Rahmenbedingungen für die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft geschaffen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Schimke, MdB