Frage an Jana Schimke von Jens-Uwe G.
Sehr geehrte Frau Schimke,
ich habe etwas Schwierigkeiten, den Syrieneinsatz der Bundeswehr argumentativ in der Bekanntschaft zu vertreten. Der Antrag der Bundesregierung (Drucksache
18/6866) gibt da nicht so viel Argumente her. Auch wird immer wieder das Argument der Völkerrechtsverletzung in diesem Zusammenhang angeführt.
Können Sie mir als Politik-Wissenschaftlerin diesebezüglich einige Argumente liefern, die letztenendes auch zu Ihrer positiven Entscheidung geführt haben?
Mit freundlichen Grüßen
Jens-Uwe Groh
Sehr geehrter Herr Groh,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 5. Dezember 2015. Gerne beantworte ich Ihre Fragen zum Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den sog. „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und dessen Rechtsgrundlage.
Mit dem menschenverachtenden Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 hat der IS nicht nur Frankreich, sondern den europäischen Raum der Freiheit und des Rechts angegriffen. Der Angriff galt unserer Lebensweise und unseren Werten, er galt damit auch uns. Dagegen müssen wir uns verteidigen. Der IS stellt aufgrund seiner Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar.
Frankreich hat deshalb alle EU-Mitgliedsstaaten um Beistand nach der EU-Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags) gebeten und auf dem Treffen des Rates der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17. November 2015 haben alle Mitgliedsstaaten einhellig den Antrag unterstützt. Wir stehen solidarisch an der Seite unserer Freunde und Partner in Frankreich und deshalb hat der Bundestag mit großer Mehrheit am 4. Dezember 2015 den Einsatz der Bundeswehr gegen den IS bewilligt und ist Teil einer Allianz aus 64 Staaten.
Rechtsgrundlage des Einsatzes ist der Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit im Sinne unseres Grundgesetzes. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist anerkannt, dass ein Staat sich (auch mithilfe anderer Staaten) gegen Angriffe eines internationalen Terrornetzwerks verteidigen darf. Für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist es nicht erforderlich, dass stets eine ausdrückliche Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der VN-Charta vorliegt.
Verstärkende Legitimationswirkung für die Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts entfaltet die Sicherheitsratsresolution 2249. Sie stellt mit den Formulierungen des Kapitel VII fest, dass der IS eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ist. Daher ruft der Sicherheitsrat die Staaten dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Terrorakte des IS zu verhindern.
Ziel des Einsatzes ist die Verhütung und Unterbindung terroristischer Anschläge und die zeitgleiche Befriedung der Region. Der deutsche Beitrag hierzu dient der Unterstützung Frankreichs, Iraks und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen den IS durch Bereitstellung von Luftbetankung, Aufklärung, seegehendem Schutz und Stabspersonal. Dafür stellt die Bundesrepublik bis zu 1.200 Einsatzkräfte mit entsprechender Ausrüstung bereit.
Zusätzlich wird die Bundesrepublik die erfolgreiche Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe für die Peschmerga, die Jesiden und andere gemäßigte Gruppen, die sich dem IS entgegenstellen, weiter intensivieren. Hierfür wird das bestehende Mandat von 100 Soldaten auf 150 Soldaten erhöht und 100 Millionen Euro zur Ertüchtigung bereitgestellt. Zudem wird die humanitäre Hilfe um 400 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro erhöht. Dieses Geld kommt vor allem den Menschen zu Gute, die vor dem IS fliehen.
Der IS-Terror ist einer der Hauptgründe, warum so viele Menschen aus Syrien nach Europa fliehen. Die Bundesregierung hat in Ihren Entscheidungen zur Flüchtlingssituation immer betont, dass die Flüchtlingsursachen bekämpft werden sollen. Und dieser Einsatz ist eines dieser Maßnahmen und Ziel der Befriedung Syriens. Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg, nicht zuletzt weil eine politische Vereinbarung aller an dem Konflikt beteiligten schwierig werden wird.
Gleichwohl möchte ich ausdrücklich betonen, dass es weder eine Zusammenarbeit mit dem syrischen Präsidenten Assad und noch mit dessen Truppen geben wird. Die Bundesregierung setzt auf den diplomatischen Verhandlungsprozess in Wien, der einen politischen Übergang in Syrien weg von Assad einleiten soll.
Sehr geehrter Herr Schneider,
niemanden fällt es leicht, deutsche Soldaten in die Mission in Syrien zu entsenden, auch dann nicht, wenn unsere Soldaten dort nicht direkt in die Kampfhandlungen eingreifen werden. Doch ohne eine militärische Eindämmung des IS wird jede politische und diplomatische Lösung des Konflikts nahezu unmöglich sein.
Sollten Sie hierzu weitere Fragen haben, können Sie sich jederzeit an mich wenden. Darüber hinaus wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Schimke