Nehmen Sie Ihre Pflichten ernst?
Sehr geehrter Herr Nolte
verfolgt man die Protokolle des Deutschen Bundestages stellt man fest, dass Sie bei 18,8 Prozent der Plenarsitzungen und bei 15,5 Prozent der namentlichen Abstimmungen abwesend waren. In der mündlichen Fragestunde haben Sie bislang keine Fragen an die Bundesregierung gestellt.
Nehmen Sie Ihr Amt als Volksvertreter ernst, wenn Sie eine doch sehr hohe Fehlquote haben? Was sind die Gründe für die hohen Abwesenheiten an Ihrem Arbeitsplatz?
Mit freundlichem Gruß
E. B.
Sehr geehrte Frau B.,
zunächst erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass in Plenarprotokollen keineswegs festgehalten wird, welcher Abgeordneter wann im Plenum sitzt und wann nicht. Woher Sie Ihre Zahlen haben, ist mir also schleierhaft. Dass Sie mit Ihrer Frage nicht das Ziel verfolgen, sich über meine Arbeit zu informieren, sondern dieses Instrument eher als kleinen Angriff nutzen wollen, ist uns beiden ja ohnehin klar. Beantworten will ich Ihre Frage trotzdem gerne.
Zunächst wäre es gut gewesen, wenn Sie die Zeit, die Sie aufgewendet haben, um genau nachzulesen, wie viele Fragen ich in der Fragestunde gestellt habe, genutzt hätten, um sich über die Arbeit von Bundestagsabgeordneten zu informieren. Sie haben sicher auch ganz bewusst nicht die kleinen Anfragen, Parlamentsreden, Anträge, Einzelfragen, Anfragen an die wissenschaftlichen Dienste oder meine Mitarbeit in der Enquete-Kommission Afghanistan mitbetrachtet. Erstens ist die Teilnahme an einer namentlichen Abstimmung nicht das beste Kriterium, um zu bewerten, wie ernst ein Abgeordneter seine Arbeit nimmt (bei 100€ Kosten für die Nichtteilnahme, kann hier theoretisch ganz persönliches, monetäres Interesse vorliegen) und zweitens gibt es gesundheitliche (gerade in der Coronazeit) aber auch wichtige persönliche Gründe oder manchmal terminliche Überschneidungen, die eine Teilnahme an einer Abstimmung verhindern können.
Anders als Sie, sind sicher auch viele Menschen in Deutschland der Meinung, dass der Bundestag kein Abstimm- sondern ein Arbeitsparlament ist. Sie wären überrascht, was man in den Sitzungswochen so alles zu tun hat, wenn man nicht gerade im Plenum sitzt. Darüber hinaus bin ich in ganz Deutschland unterwegs, um vor Ort mit den relevanten Akteuren der deutschen Verteidigungspolitik zu sprechen. Nicht alles davon veröffentliche ich aber einiges hätten Sie beispielsweise den sozialen Medien entnehmen können. Möglicherweise haben Sie das ja auch getan und es hier nicht erwähnt, weil es nicht in das Bild passt, dass Sie hier darstellen wollen. Fachfragen stellt man übrigens oft gar nicht der Bundesregierung, sondern (in meinem Fall) dem Parlaments- und Kabinettsreferat im BMVg. Sie wären überrascht, wie viele E-Mails dort von mir eingehen. Sie legen also insgesamt sehr seltsame Maßstäbe an und arbeiten mit nicht nachvollziehbaren Zahlen. Die meisten Tätigkeitsfelder der Abgeordnetenarbeit betrachten Sie gar nicht, weil Ihre sehr einseitige Darstellung sonst nicht mehr möglich wäre.
Da ich aber selbst Politiker teils scharf kritisiere und auch meine Partei dies tut, will ich Ihnen dies gerne zubilligen.
Wenn Sie zukünftig die Arbeit von Bundestagsabgeordneten kritisch begleiten wollen, möchte ich Ihnen aber nahelegen, Ihrer Bewertung ein vollständigeres Bild zugrunde zu legen. Ihre Kritik wird dadurch valider und man kann Ihnen nicht unterstellen, die Fragemöglichkeit zu missbrauchen, um „Stimmung zu machen“. Bedenken Sie auch, dass die Tätigkeiten in Gremien, wie Ausschüssen und Ähnlichem oder auch Treffen mit Wählern und Fachgesprächspartnern öffentlich nicht immer voll nachvollziehbar sind.
Mit freundlichen Grüßen
Jan R. Nolte, MdB