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Jan-Marco Luczak
CDU
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Frage von Klara W. •

Frage an Jan-Marco Luczak von Klara W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Luczak,

Millionen deutsche Bürger will man anschreiben, dass sie Spender sind, wenn sie nicht Nein sagen.

Es gibt sehr viele, die per Brief nicht ansprechbar sind, z.B Obdachlose, Notquartierbewohner, Weltreisende, Krankenhauspatienten, (Arbeits-)Auswanderer, etc. und deswegen nicht Nein sagen können.
Es gibt sehr viele, die diesen Brief nicht verstehen und somit nicht Nein sagen können, weil sie geistig behindert/geistesschwach oder demenzkrank sind und als solche noch nicht begutachtet und registriert wurden.
Es gibt sehr viele, die unter Betreuung stehen und die für sich selbst aus Rechtsgründen nicht Nein sagen dürfen.
Und es gibt unglaublich viele, die der Brief nicht erreicht, weil er beim Absender und/oder auf dem Transportweg und/oder beim Empfänger verloren geht/verschwindet.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?

Der Bürger soll Nein sagen können, indem er dies einer Stelle unter einer Post-/Internetadresse mitteilt.
Niemand kann garantieren, dass sein Nein als Nein bei dieser Stelle ankommt und/oder als Nein dort registriert/gespeichert wird und nur von ihm selbst - manipulationssicher - verändert/gelöscht werden kann.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?

Ein Bevollmächtigter ruft die Daten eines Gehirntoten beim Register ab und sieht das Häcken, das bei Nein steht, aus Gründen einer optischen Täuschung, Augenblickversagens, Unkonzentriertheit etc. bei Ja stehen, und macht ihn zum Körperspender.
Wie hoch schätzen Sie die Zahl der Personen, die deswegen nicht Nein sagen können und durch die Widerspruchslösung zwangsweise zum Körperspender werden?

Wie hoch schätzen Sie die Zahl aller Personen, die aus irgendwelchen Gründen nicht Nein sagen können, obwohl sie es verzweifelt versucht haben?

Vielen Dank.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Waldmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Mit dem Thema Organspende sprechen Sie ein Thema an, das uns als Gesellschaft insgesamt und jeden einzelnen Bürger im Innersten berührt. Die Union versucht seit vielen Jahren, die Zahl der Organspender zu erhöhen. Leider ohne durchgreifenden Erfolg. Aktuell warten bis zu 10.000 Menschen in Deutschland auf ein lebensrettendes Organ. Jeden Tag sterben Menschen an ihren Erkrankungen, da sie vergeblich gewartet haben. Jährlich sterben bis zu 2.000 Menschen auf der Warteliste. Unser vorrangiges Ziel muss es daher sein, für diese Personen Hoffnung und neue Lebensperspektiven zu schaffen. Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte, wie wir die Zahl der Organspenden erhöhen können, um Leiden zu mindern und Leben zu retten. Diese Diskussion werden wir im Bundestag führen.
Ich gebe Ihnen Recht, dass eine gesetzliche Organspenderegelung sehr grundsätzliche Fragen zum Leben und Sterben, zum Selbstbestimmungsrecht und der Verfügung über den eigenen Körper berührt. Gerade deswegen ist es mir auch besonders wichtig, dass jeder Standpunkt in der Debatte zur Geltung kommt. Somit bin ich Ihnen dankbar, dass Sie sich an mich gewandt haben und Ihre nachvollziehbaren Bedenken zu dem sensiblen Thema mit mir teilen.

Nach der geplanten Widerspruchslösung gelten alle volljährigen und melderechtlich erfassten Bürger zunächst als potenzielle Organspender. Dem kann aber jederzeit unbürokratisch widersprochen werden. Falls das nicht zu Lebzeiten passiert, werden die Angehörigen, wie bereits angesprochen, immer nach dem ihnen bekannten Willen der Verstorbenen gefragt. Es wird auch vorgesehen, dass alle Bürger in Deutschland bis zum Inkrafttreten des Gesetzes und zukünftig auch alle mit dem 16. Geburtstag drei Mal angeschrieben werden, um über die Rechtslage aufgeklärt zu werden. Einen heimlichen Automatismus zur Organspende wird es somit nicht geben. Die Organspende bleibt eine freie und persönliche Entscheidung.

Viele andere europäische Länder haben bereits mit der Widerspruchslösung gute Erfahrungen gemacht, so etwa Spanien, Österreich oder die Niederlande. Ein zentraler Grund wird dort in einer durch die Widerspruchslösung veränderten gesellschaftlichen Haltung gesehen: Nehmen und Geben, gelebte Solidarität auch in der Not. Jeder Bürger kann erwarten, eine Transplantation zu erhalten und ist im Gegenzug bereit, im Sinne des Gemeinwohls, auch eine Spende zu leisten. Die Organspende ist eine solidarische Aufgabe der Gemeinschaft zum Nutzen aller. Eine solche Haltung sollte daher auch in Deutschland gefördert werden.
Über die unterschiedlichen Argumente werden wir in den kommenden Monaten im Bundestag intensiv diskutieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wie auch alle meine Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion behandeln das Thema Organspende mit größter Sensibilität. Das gilt auch für die von Ihnen aufgeworfene Thematik von möglichen Organentnahmen bei Menschen, die zuvor nicht ausdrücklich ihre Einwilligung zur Organspende gegeben haben.

Nochmals danke ich Ihnen für Ihre Anfrage und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Dr. Jan-Marco Luczak

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