Frage an Jan-Marco Luczak von Ernest G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Luczak,
mich beschäftigt zur Zeit oft folgendes:
In Berlin gibt es immer wieder Verkehrsdelikte, und Verstöße gegen die Straßenverkehrs-Ordnung, z. B. immer wieder Parken in der zweiten Reihe, und, mir fällt auf, es wird kaum kontrolliert, und, die StVO wird kaum durchgesetzt. Da frägt man sich schon: Wozu gibt es die StVO, wenn sich nicht so viele daran halten, und, wenn sie nicht konsequent durchgesetzt wird?
Hat es auch mit der Sparpolitik des Senats zu tun, wie es in den letzten 15 Jahren war?
Aber, ich habe auch ein paar Fragen bezüglich des mutmaßlichen Ex-Leibwächters von Osama bin Laden, Sami A.:
Wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sami A. wieder nach Deutschland zurückkommt? Und, stimmt es, dass das OVG in Münster das letzte Wort hat, und, nicht das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, oder das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe?
Und, ich dachte immer, Bundesrecht bricht Landesrecht. Ist es nun hier doch nicht so?
Dabei frage ich mich auch: Was ist das höhere Rechtsgut?
a) zu verhindern, dass ein Oberterrorist zu Schaden kommt?
b) zu verhindern, dass Deutschland zu Schaden kommt?
Und: Eine Frage noch: Ist es besser, man geht nach dem Buchstaben der Gesetze, oder, nach dem Geist der Gesetze?
Ich hoffe selber inständig, dass Sami A. in Tunesien bleibt, er hat in Deutschland meines Erachtens nichts mehr zu suchen!
Und, andere Gefährder sollte man auch abschieben!
Ich freue mich sehr auf Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
E. G.
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17. September 2018, in dem Sie zum einen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und zum anderen den Fall Sami A. und dessen Rückführung ansprechen.
Ich kann Ihre Verärgerung über die häufig vorkommenden Verkehrsverstöße gut nachvollziehen. Berlin ist eine Stadt mit einem hohen Verkehrsaufkommen. Damit das Miteinander im Straßenverkehr reibungslos laufen kann, gibt es verbindliche Regeln, an die sich alle Verkehrsteilnehmer halten müssen. Die Verkehrsüberwachung ist ein wichtiger Teil der Arbeit von Polizei und Ordnungsamt. Sie achten darauf, dass die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung durchgesetzt und Verstöße geahndet werden. Vor allem die Ordnungsämter sind jedoch häufig unterbesetzt. Kontrollen gibt es nur punktuell, oder bei konkreten Beschwerden. Wünschenswert wäre in der Tat eine flächendeckende und regelmäßige Kontrolle. Dafür müsste der rot-rot-grüne Berliner Senat die Bezirke und die Ämter stärker unterstützen und sie mit mehr Personal ausstatten.
Des Weiteren sprechen Sie den Fall Sami A. und dessen Abschiebung an. Wir leben in Deutschland in einem staatlichen Rechtssystem, in dem Gewaltenteilung herrscht. Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte sind darum zu akzeptieren. Gleichzeitig muss der Rechtsstaat aber auch dafür sorgen, dass Menschen, von denen Gefahr ausgeht und die keine Aufenthaltsberechtigung haben, in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. In der öffentlichen Debatte sind viele Bundesländer dafür in die Kritik geraten, dass ihre Abschiebungsverfahren nicht konsequent genug umgesetzt werden.
Auch wenn ich Ihren Ärger über die Entscheidung des Gerichts im Fall Sami A. sehr gut nachvollziehen kann, dürfen wir nicht vergessen, dass wir in einem Rechtsstaat leben und jedem Menschen, auch denjenigen, die hier unerwünscht sind, ein faires und rechtsstaatliches Verfahren zusteht. Es ist meine Auffassung, dass die Exekutive eine Entscheidung des Gerichts zu akzeptieren hat, wenn sie denn rechtzeitig zugeht. Das war im Fall Sami A. anscheinend nicht der Fall. Ich gehe davon aus, dass hier die Behördenabläufe nicht richtig funktioniert haben. Dies gilt es anzusprechen und aufzuklären.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist in meinen Augen aber, dass das betroffene Gericht im Fall von Sami A. zu einer abweichenden Lageeinschätzung über die Rechtssicherheit in Tunesien gekommen ist als die rückführende Behörde. Fraglich ist daher, auf welcher Tatsachenbasis die darauf gestützten Entscheidungen getroffen werden. In Bezug auf Abschiebungen liefert das Auswärtige Amt ernstzunehmende Lagebilder, auf die sich das BAMF für seine Entscheidungen stützt und die meiner Meinung nach auch für die richterliche Entscheidungsfindung ausführliche Anhaltspunkte liefern würden. Diesen Berichten folgend sind Rückführungen nach Tunesien durchführbar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land deutliche Bemühungen um mehr Rechtsstaatlichkeit zeigt und unter anderem die Abschaffung der Todesstrafe gesetzlich umgesetzt hat. Diese Einschätzungen wurden im hiesigen Fall meiner Meinung nach zu wenig beachtet.
Auch aus den Erfahrungen dieses Falles heraus unterstütze ich weiterhin die Errichtung von Ankerzentren, die zu weiteren Vereinfachungen beitragen können. Die Einrichtungen sollen vor allem den Zweck erfüllen, die zuständigen Stellen an einem Ort zusammenzuführen, um so Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak