Frage an Jan-Marco Luczak von Annette K. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Herr Luczak,
wir hatten am Samstag ein längeres Gespräch beim Kinder-/Parkfest im Lindenhof miteinander. Einen Punkt hatte ich dabei vergessen: wie stehen Sie persönlich zur Frage des "Ethikunterrichts". Meine Kinder kommen nächstes Jahr auf die Oberschule und ich würde Sie gerne den Religionsunterricht besuchen lassen - geht das dann noch?
Vielen Dank und eine schöne Woche
A. König
Sehr geehrte Frau König,
gerne beantworte ich Ihre Frage zum Thema "Ethik- bzw. Religionsunterricht".
Ich persönlich bin klar für eine freie Wahl zwischen Religion und Ethikunterricht. Ich darf Ihnen im Folgenden meine Antworten auf die Fragen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und des Erzbistums Berlin darstellen, die alle Direktkandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus mit der Fragestellung "Wie halten Sie es mit dem Religionsunterricht?" um ihre Position zum Religionsunterricht gebeten hatte.
1. Wie beurteilen Sie die Einführung von Ethik als Pflichtfach, obwohl Eltern, Schulleitungen, Schülerund Schülerinnen, die Kirchen und andere mit Argumenten für die Freiheit der Wahl zwischen Ethik und Religions- oder Weltanschauungsunterricht eintreten?
Ich persönlich lehne den verpflichtenden Besuchs des Ethikunterrichtes ab und setze mich für eine freie Wahl zwischen Ethik- und Religionsunterricht ein. Zwar stimme ich dem Grundanliegen zu, dass es zu einer offenen und toleranten Gesellschaft gehört, auch über andere Religionen, Kulturen und gesellschaftliche Werte in der Schule informiert zu werden.
Allerdings bin ich der Auffassung, dass dies auch und gerade im Rahmen es Religionsunterrichtes erfolgen kann. Denn Kinder brauchen ein festes Wertesystem, in welches sie die vermittelten Werte einordnen können. Aus meiner Sicht kann als Grundlage hier nur die christlich-abendländische Kultur in Betracht kommen. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass Religion nicht im Sinne einer sachkundlichen Darstellung vermittelt werden kann. Bei Religion geht es um "Glauben". Glaubwürdig und authentisch kann Religion aber nur von jemanden unterrichtet werden, der selbst Christ (bzw. Anhänger der jeweiligen Religion) ist und mit seiner gesamten Persönlichkeit und Lebensführung für die christlichen Werte eintritt und diese daher verkörpert.
Die praktische Umsetzung des Vorhabens des SPD/PDS-Senats wird zudem durch zu wenig qualifizierte, pädagogische Fachkräfte erschwert. Auch ist der genaue Inhalt des Faches Ethik bislang in keiner Weise hinreichend definiert worden.
2. Es wird gesagt, dass die Einführung von Ethik die Bedingungen des Religionsunterrichts nicht verändert. Was bedeutet es für Sie, wenn sich zeigt, dass dies nicht zutrifft und Religionsunterricht durch die Ausweitung des Pflichtunterrichts verdrängt wird?
Nach meiner Ansicht wird die verpflichtende Teilnahme am Ethikunterricht trotz der weiterhin möglichen freiwilligen Teilnahme am Religionsunterricht faktisch zu einer schleichenden Verdrängung desselben führen. Bereits heute findet in den Schulen Unterricht aufgrund der zunehmenden Arbeitsbelastung vielfach in den Nachmittagsstunden statt. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass viele Kinder - vor die Wahl gestellt, zusätzlich freiwillig Religionsunterricht zu besuchen oder etwa ins Schwimmbad, Kino oder auf den Fußballplatz zu gehen - sich gegen Religionsunterricht entscheiden werden. Bei einer freien Wahl zwischen Ethik und Religion gäbe es hingegen keine zusätzliche Stundenbelastung der Schüler. Falls ein Wahlpflichtfach von der CDU nicht durchgesetzt werden können sollte, so werde ich mich für den vom BVerfG aufgezeigten Weg einer Befreiung vom Ethikunterricht stark machen.
3. Werden sie sich aus grundsätzlichen oder praktischen Erwägungen für eine Änderung des Schulgesetzes einsetzen, so dass zwischen Ethik und Religionsunterricht gewählt werden kann?
Aus den bereits beschriebenen Gründen ein klares "Ja". Dies bedarf allerdings einer breiten gesellschaftlichen Diskussion, um Unterstützung vor allem in der Elternschaft zu gewinnen. Auch die Kirchen sollten sich meiner Auffassung nach hierbei pointierter als bisher einlassen.
4. In anderen Ländern wird nach und nach islamischer Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht und in Kooperation mit islamischen Gemeinschaften eingeführt. Warum kann Berlin nicht diesem Vorbild folgen und dazu den rechtlichen Status des Religionsunterrichts verändern?
Einen Religionsunterricht für Muslime unterstütze ich - allerdings unter der verbindlichen Vorgabe der staatlichen Aufsicht und dessen Abhaltung in deutscher Sprache. Nur so kann es letztlich gelingen, Kinder muslimischen Glaubens nicht in Moscheen und von Imamen mitunter zweifelhafter Verfassungstreue unterrichten zu lassen.
Leider fand ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zur Schulgesetzänderung im Februar diesen Jahres keine Mehrheit - nicht nur die Regierungsfraktionen von SPD und PDS, sondern auch die Fraktion Bündnis90/Die Grünen lehnten den Antrag ab.
5. Wie werden Sie die Thematik "Religionsunterricht/Ethik" in Ihren Wahlkampfveranstaltungen berücksichtigen?
In meinen Publikationen (z.B. Kandidatenprospekt) trete ich im Rahmen meiner schul- und bildungspolitischen Positionen für eine freie Wahl zwischen Religion und Ethik ein. In Schuldiskussionen mit den zum Teil erstmals wahlberechtigten Schülern erläutere ich den Zusammenhang zwischen der Einführung des Ethikunterrichtes und der damit verbundenen faktischen Abschaffung des Religionsunterrichtes und werbe daher für ein Wahlpflichtfach.
Ich denke, ich konnte Ihnen meine Position mit diesen Fragen und Antworten umfassend erläutern und freue mich auf das nächste Gespräch,
herzliche Grüße
Ihr
Jan-Marco Luczak