Frage an Jan-Marco Luczak von Ulrich S. bezüglich Finanzen
Frage: Soll der "Generationenvertrag" bei der Rente beibehalten werden ?
Sehr geehrter Herr Dr. Luczak !
Die pro-Kopf-Staatsverschuldung Deutschlands ist doppelt so hoch wie die der U.S.A. Die 17,0 Billionen US-Dollar Staatsverschuldung der U.S.A. entspricht rd. 12,4 Billionen Euro. Dann wäre Deutschland (mit rd. 80 Millionen Einwohnern) im Vergleich zu den U.S.A. (mit rd. 315 Millionen Einwohnern viermal so groß wie Deutschland) pro Kopf doppelt so hoch verschuldet, wenn man die verdeckte (bzw. versteckte) Schuldenlast aus den Sozialsystemen in einer Größenordnung von etwa vier Billionen Euro einrechnet. Die Bundesregierung redet allerdings immer nur von einer gesamten Schuldenlast von rd. 2,1 Billionen Euro und betreibt damit Augenwischerei. In Wirklichkeit ist Deutschland mit rd. 6 Billionen Euro verschuldet. Die abgeführten Rentenbeiträge werden in Deutschland seit dem fatalen Generationenvertrag unter Adenauer sofort verbraucht. Andere Industrienationen wie z.B. Großbritannien, U.S.A. und Japan haben diese Rentenbeiträge dagegen in Mietwohnungen und anderen sicheren Kapitalanlagen angelegt. Ohne den Generationenvertrag würden die gesetzlichen Rentenversicherungen in Deutschland über Millionen von Mietwohnungen verfügen, die zu moderaten Bedingungen vermietet wären. Für die Pensionen der deutschen Beamt(inn)en wurden auch keine ausreichenden Rücklagen gebildet.
(vgl. Interview mit Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaften und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Universität Freiburg)
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Stock, Assessor
10245 Berlin
Sehr geehrter Herr Stock,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 1. November 2013, mit der Sie auf das wichtige Thema Staatsverschuldung eingehen und fragen, ob der Generationenvertrag beibehalten werden soll.
Vorweg möchte ich klarstellen: Eine „Augenwischerei“ wird von der Bundesregierung nicht betrieben. Wie Sie zu Recht angesprochen haben, gibt es auch die sogenannte implizite Staatsverschuldung. Damit werden über die offizielle Staatsverschuldung hinaus zukünftige Zahlungsverpflichtungen von Renten- und Pensionsansprüchen erfasst. Dieser Aspekt wird von niemandem verschwiegen. Gleichermaßen haben Sie in diesem Zusammenhang Ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass den Leistungszusagen der sozialen Sicherungssysteme keine adäquaten Rücklagen bzw. Einnahmen gegenüberstünden.
Die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Altersversorgung wird im Wesentlichen durch ein Umlageverfahren finanziert, bei dem die Beitragszahler die Renten der Ruheständler zahlen und dabei selbst einen Anspruch auf ihre eigene Rente erwerben. Das wird mit dem Begriff Generationenvertrag umschrieben.
Die demografische Entwicklung hat mit dem Rückgang der Geburtenraten und der steigenden Lebenserwartung aber auch dazu geführt, dass der Staat die Altersversorgung nicht mehr in dem Umfang garantieren kann, wie es früher einmal der Fall war. Für CDU und CSU besteht daher eine zukunftsfeste Alterssicherung aus drei Säulen: der gesetzlichen Rentenversicherung, einer privaten Vorsorge und einer betrieblichen Vorsorge. Seit einigen Jahren fördern wir deswegen bereits den Aufbau einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge durch steuerfinanzierte Zulagen und steuerliche Freibeträge. Eine reine kapitalanlagenfinanzierte Rente – wie Sie sie vorschlagen - wäre dagegen dem ständigen Risiko der Finanzmärkte ausgesetzt. Denn aufgrund der Schwankungen und Krisen auf den Finanzmärkten ist eine langfristige und verlässliche Finanzierung zukünftiger Versicherungsleistungen nicht gewährleistet. Gerade wegen des umlagefinanzierten Systems hat unser Rentensystem die Auswirkungen der Finanzkrise besser aufgefangen.
Was den Aufbau von Rücklagen angeht, hat der Bund bereits 1999 über das Versorgungsrücklagegesetz mit dem Aufbau von zusätzlichen Versorgungsrücklagen begonnen, um künftige Versorgungsausgaben der sozialen Sicherungssysteme bereits heute in den öffentlichen Haushalten abzubilden und Finanzierungslücken vorzubeugen. Seit 2007 wird zudem die Finanzierung der Beamtenversorgung schrittweise auf eine Kapitaldeckung umgestellt. Die Bildung entsprechender Versorgungsrücklagen muss jedoch vor dem Hintergrund eines ansonsten ausgeglichenen Haushalt stattfinden. Dann erst handelt es sich um echte Rücklagen und damit um wirklich nachhaltiges Haushalten. Für CDU und CSU ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir bereits 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen können und 2015 gar keine neuen Schulden mehr aufnehmen.
Überdies möchte ich darauf hinweisen, dass die von Ihnen genannten Zahlen zur impliziten Staatsverschuldung nicht isoliert und nicht ohne Gegenrechnung bestehender Vermögenswerte betrachtet werden können. Ohne eine Gesamtschau ist die Aussagekraft dieser Zahlen für sich genommen begrenzt. Wenn mit der implizierten Staatsverschuldung also zukünftige Kosten bewertet und deren Folgen eingeschätzt werden sollen, müssen im Gegenzug auch zukünftige Einnahmen berücksichtigt werden. Denn neben den gebildeten Versorgungsrücklagen stehen vielen Ausgaben des Staates auch zukünftige Einnahmen gegenüber, die ebenfalls zu berücksichtigen sind. Investitionen in die Schul- und Hochschulausbildung oder in den Infrastrukturausbau bilden z.B. die Grundlage zukünftiger Erträge. Auch sind implizite Verpflichtungen im Unterschied zu den expliziten Schulden keine eindeutig messbare Größe. Sie sind stark schwankend und abhängig von komplizierten Berechnungen. Als Rechtspolitiker überlasse ich diese natürlich gern den Haushältern.
Ich hoffe, Ihnen meine Standpunkte nachvollziehbar erklärt und Ihnen mit den gemachten Ausführungen weitergeholfen zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak