Frage an Jan-Marco Luczak von Marcel R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Luczak!
Vielen Dank für Ihre bisherigen Antworten zum Euro-Rettungsschirm! Ein wichtiges Thema, denn auch wir müssen wieder die im Vertrag von Maastricht festgelegte Schuldengrenze (60% des BIP) erreichen.
Gerechtfertigt werden die Milliarden vor allem damit, dass der deutsche Export stark gestiegen sei und die deutsche Exportwirtschaft deshalb stark vom Euro profitiere.
Wenn Sie die Statistik vom Statistischen Bundesamt ( http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Grafiken/Aussenhandel/Diagramme/Exportquote,templateId=renderPrint.psml ) zur deutschen Exportquote (in % vom BIP) nehmen, dann haben die Exporte zwischen 1999 und heute von etwa 25% des BIP auf 40% des BIP tatsächlich stark zugenommen.
Aufgeteilt in Exportregionen verstehe ich Ihre Euro-Argumente hingegen überhaupt nicht: Anhand der Zahlen der Deutschen Bundesbank ( http://wcco0y847.homepage.t-online.de/Obs1/07%20Aussenhandel/ObsBilderEx1.pdf ) nach Zielregionen ergibt sich, dass die Exporte in den Euro-Raum sehr viel schwächer zugenommen haben als in die sonstigen Regionen Europas. Noch stärker nahmen die Exporte nach Asien zu. Ja, die Exporte wurden gerade durch die Exporte in die NICHT-EURO-LÄNDER stark!
Wie können Sie daraus den Schluss ziehen, dass die deutsche Exportwirtschaft besonders vom Euro profitiere? Die Statistiken ergeben doch eigentlich das Gegenteil!
Wenn der Euro demnach keine Unterschiede zu Nicht-Euro-Ländern macht, warum geben wir so viele Milliarden dafür aus und machen uns so verrückt? Man gewinnt fast den Eindruck, man nimmt die gestiegenen Gesamt-Export-Quoten, um dem Wähler damit Sand in die Augen zu streuen.
Können Sie mir bitte noch einmal anhand der Fakten den Grund erläutern, warum die Bürger milliardenschwere Rettungspakete akzeptieren müssen, die die Bürger heutiger und künftiger Generationen ja bezahlen müssen?
Mit freundlichen Grüßen,
Marcel Reiche
Sehr geehrter Herr Reiche,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Einfluss der europäischen Gemeinschaftswährung Euro auf die deutsche Exportbilanz.
Die Euro-Bargeldeinführung zum 1. Januar 2002 hat zu einem verstärkten Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Eurozone geführt. Zudem konnte die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ausgebaut werden. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen Europas und damit die Nationalstaaten haben durch den Wegfall der innergemeinschaftlichen Wechselkursrisiken und die dadurch notwendigen Währungsabsicherungen profitiert. Der von Ihnen genannten Statistik zu den Exporten Deutschlands nach Zielregionen von Prof. Dr. Thomas von der Vring können Sie in diesem Zusammenhang entnehmen, dass die Masse des deutschen Exportes in Staaten der Eurozone geht. Seit Einführung des Euro hat sich der Handel innerhalb der Eurozone um 5 – 15 Prozent erhöht. In diesem Zusammenhang ist der Euro ein notwendiger Garant für die Exportnation Deutschland.
Der Euro ist zudem die Vollendung des europäischen Binnenmarktes. Ohne den Euro würde dem europäischen Binnenmarkt eine wichtige Komponente fehlen. Die Verknüpfung des Euro mit der politischen Idee eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes befreundeter Nationen ist ein politisch gewolltes Projekt. Denn die Europäische Union hat Europa 60 Jahre Frieden und Freiheit gebracht. Wertvolle Güter für jeden Menschen, die keineswegs selbstverständlich sind – das haben die bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen in der arabischen Welt erneut verdeutlicht.
Zudem sind Spekulationen des Finanzmarktes gegen den Euro – solche konnten wir in den vergangenen Jahren bereits mehrfach feststellen – aufgrund seiner Größe sehr viel schwieriger als gegenüber kleineren Währungen. Selbst Währungen von intakten Staaten (wie zum Beispiel das britische Pfund) gerieten bei Währungsspekulationen in den 1990er-Jahren, die zu schweren Verwerfungen im Europäischen Währungssystem (EWS) geführt haben, in arge Bedrängnis.
Abschließend möchte ich unterstreichen, dass Deutschland im Rahmen des Euro-Hilfsfonds bislang keine direkten Zahlungen leistet, sondern dass „lediglich“ Bürgschaften gewährt werden. Dessen ungeachtet werde ich mich dafür einsetzen, dass bei den anstehenden Verhandlungen über den European Financial Stability Facility (EFSF) und den Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Rechte des Deutschen Bundestages gewahrt bleiben. Es muss letztlich in unserer Hand liegen, ob wir weitere Solidarität üben und anderen europäischen Ländern helfen – einen Automatismus darf es nicht geben. Darüber hinaus lehne ich die so genannten Euro-Bonds ab – sie sind das falsche Signal. Europa kommt nur aus der Krise, wenn die Staaten ihre Haushalte nachhaltig sanieren. Dazu braucht es gegebenenfalls druck – seitens der Politik und vor allem Seitens der Märkte. Dies würde durch die Einführung der Euro-Bonds verhindert.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Befürchtungen ein wenig lindern und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak