Frage an Jan-Marco Luczak von Abel F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Jan-Marco Luczak,
da Sie für Tempelhof-Schöneberg in den Bundestag eingezogen sind, wissen Sie vielleicht, daß in der Grunewaldstrasse in Schöneberg, ein Flatratebordell namens King George eröffnet hat. Dieses von offensichtlich ausländischen Zuhältern geführte Bordell, bietet junge osteuropäische Frauen für kleines Geld an. Eine Sexflatrate eben.
Da Sie der Abgeordnete für diesen Bezirk sind, frage ich was Sie zu unternehmen gedenken? Und bitte verschonenen Sie mich von politischen Allgemeinplätzen. WIe die meisten Menschen kann ich das nicht mehr hören...
Mit freundlichen Grüssen
Ferrara
Sehr geehrter Herr Ferrara,
vielen Dank für Ihre Frage vom 8. Juli 2010.
Über den von Ihnen bezeichneten Prostitutionsbetrieb in meinem Wahlkreis und dessen Betriebskonzept liegen mir und den kommunalen Stellen bislang keine näheren Informationen vor.
Auch wenn ich zu dem konkreten Betrieb daher nichts sagen kann, ist die in Ihrer Anfrage zum Ausdruck kommende ablehnenden Haltung gegenüber sogenannten Flatrate-Bordellen für mich sehr gut nachvollziehbar und wird von mir geteilt. Sogenannte Flatrate-Bordelle stellen aus meiner Sicht bereits nach geltendem Recht ein fragwürdiges „Geschäftsmodell“ dar. So bestanden bereits im Sommer 2009, als die bevorstehende Eröffnung entsprechender Etablissements in Baden-Württemberg den Anstoß zu einer breiten medialen Diskussion und Berichterstattung gegeben hatte, verschiedene Anknüpfungspunkte dafür, dass derartige Angebote aus Sicht unterschiedlicher Rechtsgebiete - von Jugendschutzaspekten über das Prostitutionsgesetz bis hin zur Frage des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen und verschiedenen anderen Straftatbeständen – Anlass zu einer kritischen Überprüfung geben.
Diesen Fragen anhand der Prüfung der konkreten Sachverhalte nachzugehen ist Aufgabe der jeweils zuständigen Behörden vor Ort sowie der Strafermittlungsbehörden. Eine rechtliche Grundlage für ein generelles Verbot von Flatrate-Bordellen besteht bislang nicht.
Ob ein speziell auf bestimmte Geschäftsmodelle zugeschnittenes Verbot hilfreich und angemessen wäre, um den zu recht bemängelten Missständen ganz allgemein zu begegnen, erscheint allerdings zweifelhaft. Möglicherweise würde hierdurch nur ein Ausweichen auf andere, im Ergebnis nicht weniger problematische Organisations- oder Betriebsformen, bewirkt.
Die Diskussion um die sogenannten Flatrate-Bordelle zeigt aber über die konkrete Beurteilung von Einzelfällen hinaus in jedem Falle:
Um den Schutz der in der Prostitution tätigen Personen zu verbessern und kriminellen Begleiterscheinungen vorzubeugen, muss die gesamte Palette rechtsstaatlicher Möglichkeiten genutzt werden, also beispielsweise auch die gewerberechtliche Kontrolle und Überwachung von Betrieben des Rotlichtmilieus. Ich werde mit den in Tempelhof-Schöneberg zuständigen Behörden über das Flatrate-Bordell „King Georg“ sprechen und sie zum Handeln auffordern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jan-Marco Luczak MdB
"Sehr geehrter Herr Dr. Luczak,
ich begrüße Ihr Interesse an diesem Thema, mit dem ich im Bezirk Tempelhof-Schöneberg bereits unmittelbar seit dem Aufkommen des Begriffs „Flatrate-Bordell“ befasst bin.
Selbst das Rotlichtgewerbe klagt ja überraschend über Umsatzeinbrüche. Diese Not machte erfinderisch und führte zu der Idee eines Flatrate-Tarifs im Bordell. Dies wurde bundesweit sensationsgierig von einzelnen Medien aufgegriffen und genüsslich vermarktet. An der folgenden negativen Aufarbeitung dieses Themas ist auch der Betreiber des Fellbacher „Pussy-Club“ nicht unschuldig, da man hier in extrem aggressiver Sprache und Vermarktung aufgetreten ist.
Das Fellbacher Modell zwang die dortigen Behörden zu einer unmittelbaren Auseinandersetzung und zu ordnungsbehördlichen Eingriffen. Geblieben ist nun die Wortprägung des Flatrate-Bordells.
Mittlerweile sind diese Entwicklungen von der Realität eingeholt worden. War in Tempelhof-Schöneberg kurzfristig eine Tendenz festzustellen, ebenfalls auf den Fellbacher Zug aufzuspringen, ist dies nach kurzer behördlicher Intervention sofort und drastisch zurückgefahren worden. Die Außenwerbungen und Internetauftritte wurden in ihrer Aggressivität deutlich zurückgenommen.
Es ist daher Zeit, sich vorurteilsfrei mit den gegenwärtigen Entwicklungen auseinander zu setzen.
Erwähnt sei zunächst, dass sich bei diesem Thema ein Nord-Süd- bzw. ein Stadt-Landgefälle mit einer regionaltypischen Ausprägung des sittlichen Empfindens feststellen lässt.
Die Hurenverbände haben mit Ihren Aussagen dazu beigetragen, das Thema von seiner emotionalen Belastung zu befreien. Es ist davon auszugehen, dass die Prostituierten sich durchweg freiwillig und aus freier Wahl in solchen Betrieben aufhalten. Ein Fixum für die Prostituierten war nach damaliger Lesart höher als der Durchschnittsverdienst, den eine Prostituierte regelmäßig erwarten durfte. Wichtigste Forderung war aber der Erhalt des Selbstbestimmungsrechtes der Prostituierten, nämlich das Recht, bestimmte Leistungen oder Freier ablehnen zu dürfen. Dies ist in Tempelhof-Schöneberg durch Anzeigen von Freiern bei der Polizei belegt, die genau diese Zurückweisung nach dem Zahlen eines Flatrate-Eintrittsgeldes erlebt haben. Die regelmäßige Überwachung durch Polizei und Ordnungsamt stellen sicher, dass dies auch so bleibt. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten - ProstG bietet die geeignete Grundlage Menschenhandel und Ausbeutung zu unterbinden.
Der Angebotskatalog der Frauen einheitliche und genau beschriebene sexuelle Leistungen eines Grundstandards. Jeder darüber hinausgehende Wunsch ist mit der Frau zu verhandeln und selbstverständlich gesondert bei der Frau zu bezahlen. Dies ist ein willkommenes Zusatzeinkommen der Frau.
Die trotzdem mangelnde Nachfrage nach Flatrate-Angeboten durch die Freier hat inzwischen zu einer Umstrukturierung in den Bordellen geführt. Ein Fixum war offenbar auf Dauer wegen der geringen Besucherzahlen nicht mehr zu erwirtschaften, man ist daher inzwischen dazu übergegangen, sogenannte Dollar an die Freier zu verteilen, den diese einer Frau für eine oder mehrere Leistungen übergeben. Die Frauen erhalten dann für jeden Dollar einen Betrag, der einem Anteil am Eintrittsgeld entspricht. Freier können abgelehnt werden, dann verdient die Frau aber auch nichts, also kaum abweichend von der bisherigen Praxis. Wesentlicher Unterschied ist, dass nicht die Frau kassiert und an den Bordellbetreiber abliefert, sondern der Bordellbetreiber nunmehr den Eintritt für Getränke und sexuelle Leistungen von Anfang an einbehält und die Frauen nach erbrachten Leistungen bezahlt. Tut er dies nicht, kommen die Frauen nicht wieder.
Auch die Neben- oder Sonderdienstleistungen werden nicht mehr im Bordell geregelt, sondern zwischen der Frau und dem Freier.
Obwohl der Begriff Flatrate-Bordell hohe Erwartungen erweckt, bleibt bei nüchterner Betrachtung wenig davon übrig.
Die Frauen bekommen und bekamen schon immer nur einen Teil des für den Geschlechtsverkehr erhobenen Entgeltes. Der Bordellbetreiber bekam immer für die Bereitstellung der Räumlichkeiten, des Ambientes und der Ausstattung (Wäsche, Handtücher usw.) seinen Anteil. Extras wurden immer extra berechnet. Bestimmte normale Leistungen werden nun, in Einzelleistungen aufgeteilt, mit den genannten Dollar verrechnet. Die freien Getränke rechtfertigen in der Regel den hohen Eintritt nicht. Kunden die potenzsteigernde Hilfsmittel (z. B. „Viagra“) nutzen, werden abgewiesen oder der Gaststätte verwiesen.
Hier wird auf eine neue Art das alte Spiel mit der Illusion der Freier betrieben, die glauben, für (z. B.) 99 € den Olymp ihrer Träume und Phantasien betreten zu dürfen und sich am Ende auf dem Boden der Tatsachen ihrer eigenen begrenzten Möglichkeiten wiederfinden. Neben ein wenig Sex haben diese dann nur ein paar stark überteuerte Biere getrunken.
Ich hoffe, diese Schilderung der gegenwärtig festgestellten und überwachten Praxis hat zur Versachlichung der Flatrate-Diskussion beigetragen. Im übrigen ist das von Ihnen angesprochene „The New King George“ bisher in keiner Weise polizeilich auffällig geworden.
Wenn es zu dem Thema Flatrate-Bordell einen Diskussionsbedarf gibt, dann nur, warum sich unter wechselnden Bezeichnungen und Geschäftsmodellen für die sich in der Prostitution bewegenden Frauen wenig ändert.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Schworck
Bezirksstadtrat"