Wieso brechen EU-Abgeordnete der deutschen Regierungsparteien den Koalitionsvertrag?
Sehr geehrter Herr Oetjen,
mit Entsetzen lese ich Meldungen wie diese: "Die Ampelkoalition hat [..] Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gebrochen und setzt sich für biometrische Massenüberwachung ein" (https://digitalcourage.de/blog/2023/biometrie-ampel-bricht-koalitionsvertrag). Wie kann es sein, daß die EU dieselben technischen Methoden einsetzen möchte wie China (nur mit dem Vorwand, daß die Echtzeitauswertung verboten wird - 10sec Verzögerung ist ok)?
Ich bitte Sie dringend, eine digitale Infrastruktur sicherzustellen, die dem Bürger dient - weder dem Staat noch den Konzernen. Sie wurden (mittelbar) von mir gewählt - weder von Hr. Buschmann noch von Amazon, Google, Meta.
Lieber Herr B.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Die biometrische Massenüberwachung ist für mich und die FDP-Delegation im Europäischen Parlament ein absolutes No-Go, weshalb wir uns mit Nachdruck für ein Verbot der biometrischen Überwachung im öffentlichen Raum einsetzen.
Der von Ihnen zitierte Artikel kritisiert insbesondere das Handeln der Bundesregierung bezüglich der KI-Verordnung im EU-Ministerrat. Sowohl die FDP-Häuser innerhalb der Bundesregierung, allen voran das von Marco Buschmann geführte Bundesjustizministerium, als auch wir als liberale EU-Parlamentarier sind treibende Kräfte für die Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbots.
Meine Kollegin Svenja Hahn, die als Berichterstatterin im Europäischen Parlament die KI-Verordnung direkt verhandelt, streicht mit ihren Änderungsanträgen alle von der Kommission vorgesehenen Ausnahmen und setzt sich dafür ein, dass das Verbot nicht nur für öffentliche, sondern auch für private Akteure gilt. Etwas detaillierter können Sie die Position der Freien Demokraten im Europäischen Parlament in den folgenden zwei Artikeln nachlesen:
2) https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/das-gesicht-europas-fuer-die-digitale-zukunft
Wie Sie sehen, setzen wir uns nachdrücklich gegen jede Art der Massenüberwachung ein und drängen in den noch laufenden Verhandlungen zum KI-Gesetz dahingehend auf eine Änderung des viel zu offenen Ansatzes von EU-Kommission und Rat.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christoph Oetjen