Globale politische Situation und die Auswirkung auf die Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Oetjen,
jeder der die Grundlagen der Wirtschaft kennt, weiß, dass durch Zusammenarbeit die Gesamtproduktion steigt. Durch den Krieg in der Ukraine, den Folgen des Klimawandels und sonstigen Ereignissen, kommen immer neue Herausforderungen auf uns zu. Mit diesen Entwicklungen gewinnt die Partnerschaft mit der Türkei an Bedeutung. Wieso wird, trotz der Bedeutung und den wirtschaftlichen Vorteilen nicht wirtschaftlich näher kooperiert? Kooperationen vor allem bei der Korruptionsbekämpfung würde zu politischen und wirtschaftlichen Vorteilen verhelfen, ist dazu etwas geplant? Auch würde für uns Jugendliche, der Zugang zu einem neuen Markt eröffnet werden.
Sehr geehrter Herr D.,
herzlichen Dank für Ihre Frage zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei. Ich finde es wichtig, dass wir stets an einer Steigerung der europäischen Wirtschaft arbeiten und dazu gehört, wie Sie ganz richtig gesagt haben, die Kooperation mit wichtigen Handelspartnern zu intensivieren, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Natürlich ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei dabei von großer Bedeutung, schließlich ist das Land der sechstgrößte Handelspartner der EU. Nicht zuletzt deshalb schlug die Europäische Kommission im Dezember 2016 vor, die bestehende Zollunion mit der Türkei zu modernisieren und die bilateralen Handelsbeziehungen auszuweiten. Denn die wirtschaftlichen Erfolge der Türkei seit der Krise im Jahr 2001 sind zweifelslos eine Erfolgsgeschichte.
Seit Jahrzehnten verzeichnen wir produktive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei, schließlich wurde das Land bereits im Jahr 1963 assoziiertes Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Allerdings verfehlt die Türkei insbesondere in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Migration die europäischen Maßstäbe. Da diese Werte die Basis der Europäischen Union bilden, kann die Zusammenarbeit mit einem Staat, der diese Werte missachtet, kaum gestärkt werden. Schließlich scheint die Türkei aber auch an näherer Kooperation mit der EU nicht interessiert zu sein, da seit dem Putschversuch 2016 die Beitrittsgespräche zum Erliegen gekommen sind und auch keine Bemühungen unternommen wurden, dies zu ändern. Weiterhin konnte seit Beginn der Beitrittsverhandlungen im Jahr 2005 lediglich ein Kapitel von 35 Beitrittskapiteln abgeschlossen werden. Hinzukommt das Verhalten der Türkei in der NATO und der Blockade der Aufnahme Schwedens in das Verteidigungsbündnis sowie das Eindringen in griechische und zyprische Gewässer und den griechischen Luftraum, die Anlass zur Sorge geben. All diese Geschehnisse werden bei der Ausweitung und Intensivierung unserer Kooperation mit der Türkei in Betracht genommen, sodass derzeit die wirtschaftliche Kooperation unter diesen Umständen nicht intensiviert werden kann.
Es ist wichtig, dass bei Verhandlungen von Handelsabkommen, nicht nur die Wirtschaft eine Rolle spielt, sondern ebenso unsere Werte, für die wir stehen und solange diese nicht grundsätzlich angenommen werden, ist eine umfassendere Zusammenarbeit mit der Türkei sehr kritisch zu sehen. Es wird allerdings die Bereitschaft des Landes begrüßt, im russischen Krieg gegen die Ukraine als Vermittler aufzutreten. Vielleicht markiert diese Rolle der Türkei den Anfang einer erneuten Annährung an die EU.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen. Sollten Sie weitere Fragen oder Anliegen haben, können Sie sich gerne bei mir melden.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christoph Oetjen