Frage an Irene Mihalic von Jörg R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Dr. Mihalic,
auf die Frage, ob man es nicht verbieten könne, dass Sportschützen ihre Sportwaffen zu Hause lagern, antworteten Sie hier in Abgeordnetenwatch am 22. Februar 2020:
„...kommen wir zu der Einschätzung, dass es für uns sinnvoller ist, Waffen und Munition besser zu trennen. Das heißt: Der Sportschütze darf zwar seine Waffe zu Hause lagern, nicht aber die Munition…Unsere Sorge ist außerdem, dass wenn man die Waffen zentral im Schützenverein ausgibt, dort eine große Menge an Waffen und Munition gelagert werden muss. Da ist schon die Gefahr, dass eine große Zahl schussfähiger Waffen auf einen Schlag in die falschen Hände kommen könnte.“
Am 26.04.2021 stellten Sie hingegen für Ihr Wahlprogramm 2021 den Änderungsantrag „Die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen in Privathaushalten wollen wir, außer für Jägerinnen und Jäger, weitestgehend einschränken.“ Damit ist anscheinend dann doch die massenhafte Lagerung in Schützenhäusern beabsichtigt. Angesichts der sich zuspitzenden Radikalisierung u. a. von Antisemiten, Islamisten und Neonazis ein riskantes Unterfangen.
Zudem stelle ich mir die Frage nach der Verlässlichkeit von politischen Aussagen, die derart schnell diametral wechseln.
Herzliche Grüße
Sehr geehrter Herr Reisenweber,
wir waren ja zu dem Thema Waffen - insbesondere Besitz und Aufbewahrung - bereits mehrfach in direktem Mailaustausch.
Allerdings musste ich feststellen, dass Sie immer wieder auf Ihre Standpunkte rekurrieren und dass Sie keine meiner Antworten endgültig zufriedenstellen wird bzw. kann.
Gerne wiederhole ich unsere - resp. meine - Positionen erneut. Wir Grüne diskutieren alle Fragen rund um den Komplex "Waffen" intensiv, sowohl innerhalb der Fraktion, als auch mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen - also mit Vertreter:innen aus den Bereichen, die ein starkes Interesse am privaten Waffenbesitz haben, wie Schützenvereine, Büchsenmacher, Jäger:innen und ebenso mit den Verteter:innen der Sicherheitsbehörden sowie den Opferverbänden von Amokläufen, Attentaten und anderen Gewaltverbrechen. Hierbei geht es um Fragen des Erwerbs waffenrechtlicher Erlaubnisse und der Überprüfung der Befähigung, der Verfügbarkeit (auch um Möglichkeiten des Zugangs zu Waffen von Familienangehörigen des Erlaubnisinhabers), der Aufbewahrung von Waffen im Privatbesitz sowie um die Verwendung bestimmter Waffentypen. Ein Problemschwerpunkt liegt selbstverständlich im Bereich der Eindämmung des illegalen Waffenhandels und der organisierten Kriminalität. Wobei der Bereich "legaler Waffenbesitz" auch eine entscheidende Rolle im Hinblick auf den illegalen Handel (Stichwort Darknet) spielt. Bspw. werden im Schnitt in Deutschland jährlich 800 Waffen als abhandengekommen gemeldet registriert. Ein Teil davon taucht auf den einschlägigen Online-Marktplätzen wieder auf. Eine Rückgang ist auch in nachfolgenden Erhebungen nicht zu erwarten. Auch das ist ein Grund Zugang, Aufbewahrung und Kontrollmöglichkeiten von Legalwaffen stärker in der aktuellen Sicherheitsdiskussion zu berücksichtigen. Der Umgang mit Waffen fällt in den hochgradig sicherheitsrelevanten Bereich des Besitzes gefährlicher Gegenstände. Angesichts der Tatsache "der sich zuspitzenden Radikalisierung u. a. von Antisemiten, Islamisten und Neonazis" - wie sie richtig feststellen - ist hier besondere Aufmerksamkeit der politisch Verantwortlichen in unserem Rechtsstaat gefordert.
Wie ich Ihnen bereits klar gesagt hatte: Wir GRÜNE sind nicht die Partei liberalerer Bestimmungen im Schießsport. Aber selbstverständlich suchen wir - trotz des hohen Gefahrenpotentials von Waffen - nach Möglichkeiten, wie Sportschützen ihren Sport praktikabel ausüben können. Ich verstehe die Interessenlage der Schützen ebenso wie das Sicherheitsbedürfnis in der Mehrheit der Bevölkerung. Da es diverse Interessen gibt, gilt es sich mit denen auch auseinanderzusetzen. In meiner Partei - genau wie in der Bevölkerung allgemein - ist die Zahl derer, die für die Gefahren sehr sensibel sind, die von der Verfügbarkeit von Waffen im Privaten ausgeht, entsprechend hoch. Auf unserem Parteitag ist nach intensiver Debatte auch zum "Waffenteil" am Ende ein für alle tragbarer Kompromiss herausgekommen. Mir war es wichtig, Formulierungen im Wahlprogramm zu öffnen und damit ein Dialogfeld mit den Sportschützen zu schaffen. Auch war es mir wichtig, das Waffenthema nicht im Kapitel Terrorismus zu behandeln. Die Verfügbarkeit von Waffen wurde nun in den Vordergrund gerückt und nicht der Besitz als solcher. Als innenpolitische Sprecherin meiner Fraktion im Deutschen Bundestag und Fachpolitikerin im Bereich innere Sicherheit sehe ich es als meine Pflicht an, die Debatten und Diskussionen die wir führen, auf Basis von aktuellen Erhebungen, polizeilichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und Entwicklungen anzustoßen und diese fortwährend hinzuzuziehen und zu berücksichtigen, am Ende auch bei politischen Initiativen und Entscheidungen. Das ist für meine Partei und für mich persönlich Ausdruck eines verlässlichen Politikstils, der nicht auf Vermutungen und Befürchtungen fußt oder wie ein Fähnchen im Wind sich nach bestimmten Interessen- oder Lobbygruppen ausrichtet.
Sehr geehrter Herr Reisenweber, ich bin persönlich davon überzeugt, dass die weit überwiegende Mehrheit der privaten Waffenbesitzer:innen mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht und sich rechtstreu verhält. Doch um die Wenigen, die das nicht tun, müssen wir uns kümmern, um schwere Straftaten mit Toten und Verletzten zu verhindern. Und das tun wir, nicht mehr und nicht weniger.
Mit freundlichen Grüßen
Irene Mihalic