Frage an Irene Mihalic von Jörg R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Mihalic,
sowohl im aktuellen Partei- als auch im Wahlprogramm 2021 haben die GRÜNEN ein grundsätzliches Besitzverbot von Schusswaffen für Sportschützen beschlossen. Dieses Verbot umfasst alle (potenziell) „tödlichen“ Waffen wie Sportpistole, KK-Gewehr, Biathlongewehr, Olympia-Pistole usw. bis hin zur derzeit „frei ab 18“ verkäuflichen Vorderlader-Replika. Als einzige Ausnahme könnte ggf. noch das Luftgewehr gelten. Das Schießen mit den vorgenannten Sportwaffen wird demnach verboten - die Waffen müssen zwangsläufig zur Vernichtung abgegeben werden. Einen Käufermarkt kann es schließlich nicht mehr geben (allumfassendes Besitzverbot; Ausnahme Jäger). Alea iacta est.
Meine konkrete Frage an Sie: Wie sehen Sie bzw. Ihre Partei die Entschädigungsplicht des Staates bei derart gravierenden Eingriffen in die Eigentums- und Besitzrechte der BürgerInnen? Immerhin konnten diese Waffen bislang mit staatlicher Erlaubnis (Waffenbesitzkarte) rechtmäßig erworben und besessen werden. SportSchützInnen haben hier teilweise Tausende € in ihr Sportgerät, die Tresore und das Zubehör investiert. Ist hier auch an eine angemessene, eines Rechtsstaats würdigen, Entschädigung bei der anstehenden umfassenden Enteignung angedacht?
Bitte ausschließlich diese Frage beantworten - kein allg. Statement.
Sehr geehrter Herr Reisenweber,
unser Wahlprogramm zur Bundestagswahl im September 2021 wird erst im Juni 2021 beschlossen. Bislang liegt ein Entwurf des Bundesvorstandes vor. In diesem heißt es: "Um Attentate zu erschweren, werden wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen. Den privaten Waffenbesitz tödlicher Schusswaffen wollen wir weitestgehend beenden." - so viel zu den tatsächlichen Formulierungen in unserem Wahlprogramm, Stand heute. Inzwischen liegen zu dieser Passage Änderungsanträge vor.
Sie können versichert sein, dass wir als Grüne weder den Schießsport verbieten noch den Zugang zu den dafür benötigten Schusswaffen verunmöglichen wollen. Auch sind wir der Auffassung, dass die überwiegende Mehrheit der Schützen fest auf dem Boden von Recht und Gesetz steht.
Allerdings ist es ein massives Sicherheitsproblem, wenn sich einige Wenige auf legalem Wege Waffen beschaffen und zu Hause aufbewahren, um damit illegale Aktionen durchzuführen, wie Morde, Amok- oder Terrortaten. Es ist unseres Erachtens auch kein weiterführender Ansatz zu sagen: Der illegale Waffenbesitz ist doch das viel größere Problem. Es ist in Wahrheit ein anderes. Hier geht es um ermitteln, aufdecken und vor allem beenden - und dies, wie auch im Entwurf formuliert, vor allem auf den einschlägigen Online-Marktplätzen, wo regelmäßig auch verloren gegangene oder gestohlene Legalwaffen auftauchen. Allein in den Jahren 2016/2017 wurden mehr als 1.600 Waffen als gestohlen gemeldet registriert. Eine Rückgang ist auch in nachfolgenden Erhebungen nicht zu erwarten. Auch das ist ein Grund Zugang, Aufbewahrung und Kontrollmöglichkeiten von Legalwaffen stärker in der aktuellen Sicherheitsdiskussion zu berücksichtigen. Es geht dabei nicht nur um den Zugang für (einige wenige) Schützen selber, sondern unter Umständen auch für deren Familienmitglieder oder andere nahestehende Personen, die sich so mittelbar Zugang zu Waffen verschaffen können. Die Frage ist: Wie können wir Mordtaten wie den Terrorakt von Hanau oder den sechsfachen Mord von Rot am See mit zusammen 16 Toten in 2020 besser verhindern? Man muss sicherlich an vielen Enden ansetzen, aber der private Waffenbesitz darf dabei nicht für sakrosankt erklärt werden. Wir sind dazu mit den Schützen im Gespräch, damit wir Lösungen finden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Um weiter zu kommen, brauchen wir keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, Hinweise auf andere Bereiche (in denen zweifellos mehr getan werden könnte!) oder Unterstellungen, es gäbe unter grüner Politik "anstehende umfassende Enteignung". Ich freue mich über konkrete Vorschläge von Schützen und deren Verbände wie wir vorhandene Risiken und Sicherheitslücken weiter miniminieren können. Und in der Tat gibt es bereits interessante, konstruktive Vorschläge aus deren Reihen, die aktuell in unsere Debatte innerhalb der Bundestagsfraktion einfließen. Und ich versichere Ihnen, wir als Grüne werden den Dialog weiterhin sehr konstruktiv führen und wir haben Null-Interesse an Verbotsdebatten um ihrer selbst willen.
Mit freundlichen Grüßen
Irene Mihalic