Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Kay M. •

Wo genau gibt es jetzt angerissene günstige Energie?

Es wird immer wieder berichtet, das der Strom so günstig ist wie nie zuvor! Nun habe Ich bei den Stadtwerken Elmshorn angerufen und nach gefragt wie genau ich jetzt den "günstigen" Strom erhalten kann. Leider wurde Ich ausgelacht und man konnte mir bei den Stadtwerken nicht weiter helfen, es bleibt bei ca 38 Cent brutto die Kilowatt Stunde. Daher möchte Ich gerne von Ihnen wissen wo genau kann Ich jetzt den "günstigen" Strom erhalten und dabei meine Stadt & Stadtwerke weiter unterstützen. Ich möchte höfflich darauf hinweisen, das dort auch Menschen arbeiten und Ihr Lebensunterhalt verdienen!

Als Antwort lasse Ich nicht gelten, Sie müssen die Stromanbieten vergleichen und ggf. Ihren Anbieter wechseln.

Sonnige Grüße aus Elmshorn

Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.

vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrer Frage direkt an mich richten und mir so die Chance geben, meine Sicht darzustellen.

Tatsächlich gibt es sehr viele Strompreise: den an der Börse (und allein da gibt es mehrere), den für Haushaltskunden und für Gewerbekunden, beide mit dynamischem Tarif und ohne, den während der Gaspreiskrise, davor und danach bei verschiedenen Anbietern, zu Zeiten mit viel oder wenig Sonne...

Über alle wird geschrieben und gesprochen und oft auch ohne wirklich klare Zuordnung, was gemeint ist. Persönlich halte ich es für unwahrscheinlich, dass die Strompreise für ganz normale Verträge mit Haushaltskunden in absehbarer Zeit "so günstig wie nie zuvor" werden, wie Sie es in Ihrer Frage ausdrücken. Sehr wohl sind die Strompreise aber seit der Gaspreiskrise wieder sehr deutlich gesunken. Insbesondere Neuverträge waren zwischenzeitlich für Menschen mit einem gewöhnlichen Einkommen eine echte Belastung, für ärmere Menschen natürlich umso mehr. Ich bin sehr froh, dass die Preise wieder so deutlich gesunken sind. Dazu geführt hat ein Zusammenspiel verschiedener politischer Maßnahmen: Erschließung von Putin unabhängigen Gasimportstrategien, der Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz.

Denn was tatsächlich historisch günstig ist, ist Strom aus Solarenergie. Auch Windstrom ist gegenüber der Anfangszeit viel günstiger geworden, Offshore gibt es Projekte, die bis auf den Netzanschluss komplett ohne Förderung auskommen. Das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) hat berechnet, dass zwischen 2010 und 2022 die Kosten für Solarenergie um 90% gefallen sind, die für Wind an Land um 70% und die für Wind auf See um 60% (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energiewende-wie-strompreise-dauerhaft-sinken-und-verlaesslich-werden-koennten/100030973.html).

Wir haben uns verpflichtet, über 20 Jahre die Kosten für die teuren Anlagen aus der Anfangszeit zu zahlen, das kann heute auch niemand mehr ändern. Es wäre dumm, ausgerechnet von den neuen, günstigen Anlagen wenige zuzubauen. Denn der Strom aus Wind und Sonne ist nicht nur über die Zeit günstiger geworden, sondern er ist inzwischen viel günstiger als Strom aus Gas, Kohle oder gar neue Atomkraftwerken (die mit Abstand am teuersten sind).

Der günstige Strom aus Wind und Sonne senkt den Börsenpreis - aber natürlich nur dann, wenn Wind weht oder Sonne scheint. Dazu kommen Kosten für die Stromnetze. Deshalb lassen sich die zeitweise sehr niedrigen Börsenpreise nicht einfach in billigere Verträge bei Stadtwerken oder anderen umrechnen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Stromversorgung mit Erneuerbaren ähnlich teuer ist wie früher der fossile Strom zu sein schien - nur dass bei Atom und Fossilen sehr viele Kosten wie Bergfolgeschäden, Strahlenbelastung, ein Teil der Kosten für die Endlagerung von Atommüll, Klimakrise, Kranke und Tote durch Luftverschmutzung, Erpressungspotential durch Kriegstreiber usw. nicht eingepreist waren. Das stand nicht auf der Stromrechnung, musste aber dennoch von der Gesellschaft gezahlt werden. Gerade bei den Toten durch Feinstaub aus den Kohlekraftwerken ist das ein sehr hoher Preis. Aber auch zerstörte Häuser aufgrund von stärkeren und häufigeren Fluten durch die Klimakrise sind ein sehr hoher Preis für die betroffenen Menschen. Und wie Putin uns mit unserer Abhängigkeit vom fossilen Gas versucht hat zu erpressen, hat Unternehmen wie Menschen im Land vor riesige Probleme gestellt.

Wir können eine Energieversorgung aufbauen, die sauber ist, viel sicherer ist, Kriegstreibern nicht in die Hände spielt, Kostenexplosionen wie im Jahr 2022 vermeidet - und nicht teurer sein muss. Das klingt für mich nach einer klaren Entscheidung. Natürlich hängen die Kosten der erneuerbaren Energieversorgung auch davon ab, wie intelligent wir sie organisieren. Am günstigsten wird es, wenn alle konstruktiv an Lösungen arbeiten. Und für diejenigen, die einen zeitlich flexiblen Verbraucher wie eine Wärmepumpe oder ein E-Auto haben, wird es bald sehr gute Möglichkeiten auf einen günstigeren Strompreis geben: Ab nächstem Jahr müssen alle Energieanbieter sogenannte "dynamische Tarife" anbieten. Das bedeutet, wenn jemand ein E-Auto vor allem mittags lädt, wenn viel Sonne scheint, oder nachts, wenn die anderen sehr wenig Strom verbrauchen, dann wird er künftig dafür einen sehr viel günstigeren Strompreis erhalten können. Und gleichzeitig hilft diese Flexibilität dem Gesamtsystem, so dass Strom auch zu anderen Zeiten günstiger angeboten werden kann als ohne Kunden, die auf die Verfügbarkeit von Wind und Sonne reagieren.

Einfach aus Rücksicht auf unsere Lebensgrundlagen und künftige Generationen halte ich es im Übrigen für sehr sinnvoll, sparsam mit Energie umzugehen. In den meisten Haushalten lohnt es sich, einen Blick für die größten Stromfresser zu entwickeln und hier anzusetzen. So kann jede und jeder etwas für die Umwelt, die Mitmenschen und den eigenen Geldbeutel tun. Es gibt gute Angebote zum Beispiel von den Verbraucherzentralen. Wir Grünen kämpfen dafür, dass gerade Menschen mit kleinen Einkommen unterstützt werden beim Einsparen von Strom, Wärme und Sprit.

Mit besten Grüßen

Ingrid Nestle

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