Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gottfried P. •

Warum wird nicht endlich einmal geregelt, daß die nicht selbstverbrauchte Energie durch rückwärtszählen am Zähler dem Kunden zu Gute kommt und nicht dem Netzbetreiber bzw. Stromlieferanten?

Sehr geehrte Frau Nestle, ich habe mir 2 Solarpanelen 600W - Photovoltaik - am Balkongeländer montiert. Alles vorschriftsmäßig angemeldet.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für die Frage, die viele Menschen in unserem Land bewegt! Die Vorteile des Rückwärtslaufens, des sog. „Net-Meterings“, sind für die Kunden leicht nachvollziehbar und machen es in der Tat zu einer attraktiven Regelung. Die Regel ist aber nur für die Anfangsjahre der Energiewende oder sehr kleine Mengen Strom sinnvoll. Deshalb wird für Balkonanlagen, also kleine „Balkonkraftwerke“, derzeit überlegt, ob rücklaufende Zähler vorübergehend geduldet werden. Das könnte die Anlagen für Kleinstproduzenten noch attraktiver machen.

Warum kann der rückwärts laufende Zähler nicht einfach die dauerhafte Standardoption für alle Solaranlagen an Gebäuden sein?

Es gibt zwei Gründe.

Erstens flexibler Verbrauch: Wind- und Sonnenstrom sind wetterabhängig. Das werden nicht alleine Speicher auffangen, sondern zum Glück sind auch viele Verbraucher teilweise zeitlich flexibel. Gerade die neuen Stromanwendungen können in einem gewissen Rahmen zeitlich verschoben werden. Das E-Auto muss nicht immer sofort geladen werden, die Wärmepumpe kann auch mal eine bisschen früher laufen und Wärme einspeichern, das gleiche gilt für die Klimaanlage. Es ist zentral, dass diese flexiblen Verbraucher sich künftig zumindest manchmal nach der allgemeinen Verfügbarkeit der Erneuerbaren im Netz richten. Das hilft übrigens auch den unflexiblen Verbrauchern, weil dann in den relativ knappen Zeiten für diese mehr Strom zur Verfügung steht. Dieses Ausrichten der Verbraucher an der Verfügbarkeit von Wind und Sonne kann nur über die schwankenden Strompreise geschehen: Bei viel Wind und Sonne werden die Strompreise künftig deutlich billiger sein als in Zeiten, in denen fossile Kraftwerke oder später Wasserstoffkraftwerke laufen müssen. Betreibt ein Kunde Net-Metering, so reagiert er nicht mehr auf die zeitlichen Preisschwankungen. Er nutzt einfach zu einem späteren Zeitpunkt eine kWh Strom, die er wann anders produziert hat. Das war zu Beginn des Erneuerbaren-Zeitalters kein Problem und wurde deshalb in verschiedenen Ländern praktiziert. Es ist aber keine Option für ein Stromsystem mit einem hohen Anteil an Wind- und Sonnenstrom.

Zweitens die Fixkosten der Stromversorgung: Intuitiv scheint es zunächst naheliegend, dass man Netzkosten spart, wenn man Strom vor Ort einspeist. Tatsächlich ist das Stromnetz immer auf die schwierigste Stunde im Jahr ausgelegt. Die liegt bei uns im allgemeinen an einem Winterabend. Die PV-Anlage sorgt also eher nicht dafür, dass insgesamt die Kosten für das Stromnetz in Deutschland sinken. Deshalb ist es ein Problem, wenn sich die Haushalte mit einer großen PV-Anlage auf dem Dach zu einem großen Teil aus der Finanzierung der Netze zurückziehen. Denn das bedeutet Net-Metering letztlich: dass für jede kWh, für die der Zähler rückwärts und später wieder vorwärts lief, keine Netzentgelte und auch keine anderen Umlagen oder Abgaben bezahlt werden. Dieses Geld fehlt dann und muss komplett von anderen Menschen gezahlt werden. Das führt zu Ungerechtigkeiten, wenn es um größere Strommengen geht.

Mit besten Grüßen

Ingrid Nestle

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