Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Franz W. •

In Ihrer Rede am 13.10.22 haben Sie erörtert, das wir durch grüne Politik von den unbezahlbaren Energie loszukommen. Wie erklären Sie sich die stark steigenden Preise vor dem Krieg nach den BT-Wahlen?

Sehr geehrte Frau Nestle, in Ihrer BT-Rede haben Sie B90/die Grünen hochgelobt, das Deutschland dank der Initiative u.a. von Herrn Habeck endlich von den unbezahlbar hohen Energiepreisen wegkommt. In welcher Höhe werden sich künftig die Energiepreise bewegen? In welchem Umfang würden Sie die bereits VOR dem Krieg gestiegenen Preise Ihrer Energiepolitik zurechnen? Haben Sie bereits die notwendigen Lösungen um die alternat. Energien zu speichern? Dicke Leitungen wie von Frau Bärbock vorgeschlagen, sind dazu ja nur begrenzt geeignet. Wie wollen Sie eine gleichmäßige Grundlast gewährleisten? Und warum sind wir mit den Energiepreisen in Europa fast einsamer Spitzenreiter, obwohl der Ausbau alternativer Energien in Deutschland mitunter einer der höchsten ist? Können Sie mir diesen widersprüchlichen Umstand erklären? Machen Sie und Ihre Partei es sich nicht zu einfach, die horrenden Energiepreise nur dem Ukrainekrieg/Putin zuzuschreiben? Sehen Sie nicht auch Ursachen bei Ihrer Parteipolitik?

Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

tatsächlich hat der Energiekrieg Putins gegen Deutschland schon früher begonnen als der Bombenkrieg gegen die Ukraine. Putin hat den größten deutschen Gasspeicher, der zu dieser Zeit in russischem Besitz war, bewusst zum Winter hin geleert statt gefüllt. Das hat schon im Herbst vor Beginn des Ukrainekriegs zu Rekordpreisen für fossiles Gas geführt. Rückblickend wissen wir, dass er damit den Krieg gegen die Ukraine schon vorbereitet hat. Er hofft, durch die hohen Preise für fossiles Gas und unsere Abhängigkeit von diesen Energieträgern unsere Unterstützung für die Ukraine zu brechen. Das wird ihm nicht gelingen. Wir sind froh, dass die Versorgungslage dank zahlreicher Maßnahmen der Regierung jetzt deutlich besser ist als im ersten Halbjahr noch zu befürchten war.

Für die nächsten zwei Winter unterstützen wir alle Gas- und Stromkunden im Land mit direkter finanzieller Hilfe und arbeiten zugleich daran, zuverlässig sehr viel günstigere Energiequellen für unser Land zu erschließen: Die erneuerbaren Energien. Sie sind der Schlüssel dafür, dass wir künftig nicht mehr von Kriegstreibern wie Putin unter Druck gesetzt werden können. Denn in den Monaten nach dem Krieg hat er die Gaslieferungen immer weiter gedrosselt und schließlich eingestellt, was zu den derzeitigen sehr, sehr hohen Preisen geführt hat.

Die Grünen haben am 08. Dezember 2021 mit der Wahl von Olaf Scholz und der anschließenden Ernennung grüner Minister Regierungsverantwortung auf Bundesebene übernommen. Die Energiepolitik der Grünen hatte angesichts der Energiekrise drei Ziele: Die Energieversorgung sichern, die Preise unter Kontrolle bringen – und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir uns aus den fossilen Abhängigkeiten befreien, die uns derzeit so zusetzen und die zugleich die Klimakrise befeuern.

Die Energieversorgung sichern: Trotz Wegfall der russischen Gaslieferungen hat die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Deutschland gut durch den Winter kommt. Durch Regulierung des Gasspeichermarktes und Gaseinkauf ist es gelungen, die Gasspeicher zu füllen, obwohl sie im letzten Winter auf historischem Tiefstand waren. Seit Anfang September hat Putin kein Erdgas nach Deutschland geliefert, trotzdem kommen wir zurecht. LNG-Terminals werden in Rekordtempo gebaut, in der vergangenen Woche wurde das erste Terminal in Wilhelmshaven in Betrieb genommen.

Die Preise unter Kontrolle bringen: Ab dem 1. März 2023 greifen die Gas- und Strompreisbremsen für alle, und rechnen auch rückwirkend die Entlastungsbeträge für Januar und Februar an. Für die Wirtschaft wurden Hilfsprogramme aufgelegt, für Härtefälle gibt es extra Unterstützung. Zudem wird der Anstieg der Übertragungsnetzentgelte verhindert, die EEG-Umlage wurde abgeschafft. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/strom-gaspreis-bremse.html

Befreiung aus der Abhängigkeit: Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde parallel zur Energiekrise die größte Reform seit Jahrzehnten umgesetzt. Einen Überblick zu den zahlreichen Maßnahmen zur Beschleunigung des EE-Ausbaus findet sich z.B. hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/energie/endlich-vorrang-fuer-die-erneuerbaren

In welcher Höhe werden sich künftig die Energiepreise bewegen? Das kann niemand seriös vorhersagen. Mit dem beschleunigten Bau der LNG-Terminals schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass die Gaspreise sich in Deutschland, solange wir noch auf Erdgasimporte angewiesen sind, auf dem Weltmarktpreis für LNG einpendeln können. Die Strompreise wiederum sinken, je mehr Strom wir aus erneuerbaren Energien erzeugen. Denn inzwischen ist Strom aus Wind und Sonne deutlich günstiger als aus Kohle- oder Gaskraftwerken.

Zur Frage der Speicherung von Energie: Im letzten Jahrtausend habe ich mein Studium als Wirtschaftsingenieurin für Energie begonnen. Ich kann Ihnen versichern, dass auch damals schon bekannt war, dass Wind und Sonne wetterabhängig sind und deshalb neue Antworten für die Versorgungssicherheit nötig werden. Speicher sind ein Teil davon, regelbare Erneuerbare und Wasserstoff ein anderer, Solidarität der Regionen ein Dritter. Vor allem aber steht eine Reform des Strommarktdesigns noch in dieser Legislaturperiode an. Dabei werden Anreize verstärkt, dass die flexiblen Stromverbraucher sich an der Verfügbarkeit von Wind und Sonne orientieren. Davon profitieren auch die unflexiblen Verbraucher, die ihren Bedarf in den Stunden mit weniger Sonne und Wind dann ebenfalls günstiger decken können. In Zukunft wird es einen sehr großen Anteil flexibler Verbraucher geben, denken Sie zu Beispiel an Wasserstoffproduktion, E-Mobilität und Wärmepumpen, aber auch viele Anwendungen in der Industrie. Wenn Sie sich dafür interessieren: Die Veröffentlichungen von Agora Energiewende zu diesem Thema sind zum Beispiel informativ:
https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_11_DE_KNStrom2035/A-EW_264_KNStrom2035_WEB.pdf

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