Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Ingrid Nestle
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian N. •

Frage an Ingrid Nestle von Christian N. bezüglich Gesundheit

Sehr sehr geehrter Frau Nestle,

ich schreibe Ihnen, weil ich davon erfahren habe, dass der Deutsche Bundestag am 6. Juni über mögliche Verbesserungen beim Gesetz zu Cannabis als Medizin aus dem Jahr 2017 abstimmen wird.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen Dank dafür aussprechen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestags im Jahr 2017 einstimmig ein Gesetz verabschiedet haben, durch das Cannabisblüten in
Deutschland verschreibungsfähig wurden.

Leider mussten ich und viele andere Patienten feststellen, dass das Gesetz unzureichend ist. Ich möchte dabei auf folgende Punkte hinweisen:

1. Die Preise für Cannabisblüten sind nach Inkrafttreten des Gesetzes im März 2017 erheblich angestiegen. Hier sollte der Gesetzgeber eingreifen, damit die Preise für Cannabis aus der Apotheke
deutlich gesenkt werden. Deutschland ist weltweit und mit Abstand Spitzenreiter bei den Kosten für Medizinalcannabis.

2. Ich bekomme Cannabis aus der Apotheke und habe immer wieder mit Lieferengpässen von zum Teil 3 MONATEN zu kämpfen. Wenn ein anderes wichtiges Mittel, wie z.B. Morphium oder ein Herzmedikament leer währe, hätte man schon längst reagiert. Daher möchte ich sie dringend auf das Problem aufmerksam machen.

Währe es nicht ratsam, uns Patienten für solche Fälle und auch zum Austausch eine kleine Menge Pflanzen selbst anbauen zu lassen? Schließlich sind die Preise für Cannabisblüten nach Inkrafttreten des Gesetzes im März 2017 erheblich angestiegen.

Deutschland ist weltweit und mit Abstand Spitzenreiter bei den Kosten für Medizinalcannabis!

Ich weiß, dass der Deutsche Bundestag nicht alle Probleme lösen kann. Aber die Mitglieder des Parlaments sollten ihren Beitrag dazu leisten, dass alle Patienten in Deutschland, die eine Therapie mit
Cannabismedikamenten benötigen, diese auch erhalten.

Mit freundlichen Grüßen,
C. Neubauer

Ingrid Nestle sitzend vor einer grünen Hecke in einem orangefarbenen Blazer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr N.,

vielen Dank für Ihre Frage!
Nach Rücksprache mit den fachlich zuständigen Kollegen meiner Fraktion möchte Ihnen wie folgt beantworten:

Ich stimme Ihnen zu, dass es erheblich Versorgungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit Cannabis als Medizin gibt. Die Bundesregierung hat den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland zu langsam auf den Weg gebracht und die ausgeschriebene Menge kann schon jetzt den Bedarf nicht decken. Mit einer ersten Ernte, die voraussichtlich zu einer Entlastung bei den Preisen führen wird, ist erst 2020 zu rechnen. Wir Grünen sind dafür eingetreten, die Anbaumenge von Anfang an zu erhöhen.

Besonders problematisch ist, dass viele Patientinnen und Patienten, die auf Cannabis angewiesen sind, dieses trotz ärztlicher Verschreibung nicht erhalten, weil die Krankenkassen keine Genehmigung dafür erteilen. Etwa ein Drittel aller Anträge wird abgelehnt. Das ist aus meiner Sicht nicht im Sinne des Gesetzgebers. In der Begründung zum Gesetzentwurf von 2017 stand, dass Anträge nur im Ausnahmefall abgelehnt werden sollten.

Da sich der Genehmigungsvorbehalt in der Praxis nicht bewährt hat, hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Streichung des Genehmigungsvorbehalts vorsieht. Ich fände es außerdem richtig, wenn Cannabis als Praxisbesonderheit von Krankenkassen anerkannt würde, damit Ärztinnen und Ärzte nicht aus Sorge vor Regressen auf eine Verordnung von Cannabis verzichten müssen, obwohl es ihren Patientinnen und Patienten helfen würde. Leider wurde der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD abgelehnt.

Mit dem von Ihnen angesprochenen Gesetz wurde lediglich klargestellt, dass bei einer Änderung der Sorte oder Dosierung keine erneute Genehmigung erforderlich ist. Dazu hatten wir Grüne ergänzend beantragt, dass mindestens auch die Therapie mit Cannabis, die sich direkt an eine stationäre Cannabistherapie anschließt, nicht genehmigt werden muss, um einen nahtlosen Übergang für die Patientin zu gewährleisten. Doch auch dieser Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Aus meiner Sicht ist es ein fatales Signal, dass die Hürden für Medizinalcannabis unbegründet besonders hoch sind, obwohl viele Patientinnen und Patienten und die Cannabis verordnenden Ärztinnen und Ärzte bereits viele gute Erfahrungen vorweisen können.

Wir werden uns auf politischer Ebene weiterhin für einen Haltungswechsel gegenüber Cannabis einsetzen und für gesetzliche Verbesserungen streiten. Mit unserem Cannabiskontrollgesetz fordern wir außerdem, dass der Eigenanbau für den persönlichen Bedarf erlaubt wird. Ich bitte Sie, dass auch Sie weiter am Ball bleiben, denn eine andere Politik kann es nur geben, wenn auch Fachleute und Zivilgesellschaft ihre Forderungen beharrlich äußern.

Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Nestle

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Bündnis 90/Die Grünen