Frage an Hubert Hüppe von Ines E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Im Polizeilichen Verhör und im Hartz4System müssen Beurteilungen Beurteilten vor Weitergabe und Aktenstatus zur Kenntnis vorgelegt und von ihnen unterschrieben werden. Es gibt keinen logisch nachvollziehbaren Grund, warum ein Arzt ePatienten/ Schwerbehinderten ein Auftragsgutachten vor Aktenstatus nicht wie im Polizei- und Hartz4bereich erläutern muss.
Wie wollen und können Sie die Realisierung des Rechts von Schwebehinderten auf Kenntnisnahme von medizinischen Gutachten vor Aktenstatus unterstützen?
Sehr geehrte Frau Eck,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Da ich ab heute nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen bin, möchte ich Sie bitten, sich bei Fragen zum Thema Menschen mit Behinderung in Zukunft an meine Nachfolgerin, Frau Verena Bentele, zu wenden.
Sie erreichen Frau Bentele unter:
Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange behinderter Menschen
Mauerstraße 53
10117 Berlin
E-Mail: anfrage@behindertenbeauftragte.de oder buero@behindertenbeauftragte.de
Telefon: 030-18527-2944
Ihre Frage möchte ich Ihnen jedoch noch wie folgt beantworten.
Zwischen einer Aussage die man bei der Polizei macht und einem Gutachten, das bspw. erstellt wird, um den Grad einer Behinderung festzustellen, besteht ein großer Unterschied. Das erste ist eine subjektive Aussage (eine Schilderung, wie ich einen Sachverhalt erlebt habe), das zweite ist eine objektive Begutachtung meiner Person durch eine/n Fachexperte/in. Medizinische Gutachter unterstützen durch sachliche, unparteiische Untersuchung und Beurteilung des Gesundheitszustands bzw. der Erkrankungen von Patienten die Entscheidungen von Gerichten, Behörden und Versicherungsträgern.
Da Richter in Deutschland sehr oft dem Standpunkt der befragten Gutachter und Sachverständigen folgen, ist es wichtig, dass Gutachten von Fachexperten objektiv erstellt werden und diese sich strikt am vorliegenden Sachverhalt orientieren. Bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Sachverständigen, können diese deshalb nach § 406 Zivilprozessordnung (ZPO) von einer der Prozessparteien abgelehnt werden.
Ich bin der Meinung, dass es sinnvoll ist, den Patienten für die Erstellung des Gutachtens zwar zu befragen und seine Darstellung einfließen zu lassen, aber nicht, seine schriftliche Zustimmung zum Gutachten einholen zu müssen. Es muss Patienten möglich sein, Einsicht in das erstellte Gutachten zu nehmen und bei begründeten Zweifeln an der Beurteilung Einspruch einlegen zu können, darüber hinaus sollte jedoch kein Einfluss ausgeübt werden können. Es sollte sich schließlich nicht der durchsetzen, der am besten und überzeugendsten mit dem Gutachter diskutieren kann, sondern der tatsächliche Hilfebedarf sollte ausschlaggebend sein. Dieser kann am besten von unabhängigen, objektiven Experten festgestellt werden.
Ein Einsichtsrecht in ihre Krankenunterlagen und medizinischen Gutachten haben Patienten bereits nach heutiger Rechtslage (siehe § 810 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Auch das Patientenrechtegesetz, das am 26. Februar 2013 in Kraft getreten und im BGB kodifiziert worden ist, hält in § 630g BGB Absatz 1 fest: „Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.“
Ich könnte mir vorstellen, eine Unterschrift des Patienten einzuführen, die bestätigt, dass er bzw. sie das Gutachten gesehen und zur Kenntnis genommen hat (sozusagen eine Informations- und Kenntnisnahmepflicht). So müssten Patienten nicht im Nachhinein Einsicht verlangen, sondern wären bereits im Vorfeld informiert. Eine dahingehende Erweiterung des Patientenrechtegesetzes ist meines Wissens jedoch von keiner der im Bundestag vertretenen Parteien zurzeit geplant.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Hüppe MdB