Frage an Hilde Mattheis von Sami A. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Mattheis,
ich mußte in den vergangenen Jahren leidliche Erfahrungen an bayerischen Gerichten (OLG Nürnberg und FG Amberg, wo die Richterin eine ihrer Genossinnen war) sammeln. Als Wahlschwabe interessiert mich Ihre Haltung zu zwei familienrechtlichen Themen besonders.
1. Strafbarkeit von Umgangsboykott
In Frankreich wird Umgangsboykott strafrechtlich verfolgt (Code Pénal Article 227-5). In Deutschland hingegen, kann man mit § 1684 (2) BGB als Grundlage nur zivilrechtlich dagegen angehen. Im Unterschied zu einem strafrechtlichen Paragraphen ist also eine Verurteilung bei Verstoß unwahrscheinlicher, was dem Paragraphen die abschreckende Wirkung entzieht. Meiner Meinung nach ist dies ein Indikator dafür, daß in diesem Aspekt die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern vom französischen Staat als schützenswerter angesehen wird, als es der deutsche Staat tut.
Wie stehen Sie zu einer Einführung eines solchen strafgesetzlichen Paragraphen? Würden Sie selber einen solchen Gesetzesantrag vorbringen?
2. Automatische geteilte Sorge ab Geburt für unverheiratete Paare
Die Sorgerechtsregelung bei unverheirateten Paaren ist für Männer sehr nachteilhaft. Männer sind in der Regel vom Wohlwollen der Mutter abhängig, ohne Einverständnis der Mutter ist die Erlangung der geteilten Sorge nicht möglich. Ich sehe darin weder die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verwirklicht (Art. 3 (2) GG), noch sehe ich darin, daß andere Modelle des Zusammenlebens respektiert werden. Dabei ist es ausdrücklich im Koalitionsvertrag festgehalten, daß kein Familienmodell vorgeschrieben wird (siehe Seite 19 des Koalitionsvertrags).
Welch enorme Auswirkung diese gesetzliche Schieflage hat, wird durch den bekannten und skandalösen Fall Görgülü deutlich.
Darüberhinaus ist in Frankreich die gemeinsame Sorge ab Geburt bereits jetzt Realität.
Wie stehen Sie zur geteilten Sorge ab Geburt des Kindes bei unverheirateten Paaren?
Mit freundlichen Grüßen,
S. A.
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Das Wichtigste erscheint mir, dass das Kind Recht auf den Umgang mit seinen Eltern hat. Dies ist im BGB geklärt. Der Interpretation, dass allein eine Verankerung im Bürgerlichen Gesetzbuches bedeuten würde, dass dem Staat die Familie weniger schützenswerter erscheint als in Frankreich, kann ich mich nicht anschließen. Da ich keine Expertin im Familienrecht bin, kann ich nicht beurteilen, ob eine Überführung in das Strafrecht sinnvoll ist oder nicht.
Zur zweiten Frage bin ich durchaus der Meinung, dass beide Elternteile völlig unabhängig vom Trauschein gleichberechtigt für ein Kind sorgen sollten und sorgen dürfen. Der Bundestag hat 2012 das Sorgerecht reformiert und dabei die Rechte lediger Väter gestärkt, so dass das geteilte (oder alleinige väterliche) Sorgerecht bei Schweigen der Mutter oder auch gegen den Willen der Mutter durchgesetzt werden kann. Soweit mir bekannt, plant die Koalition daher keine Änderung des Sorgerechts.
Mit freundlichen Grüßen
Hilde Mattheis, MdB