Frage an Hilde Mattheis von kim A. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Hilde Mattheis,
wir, die Klasse 9a des Bertha-von-Suttner Gymnasiums aus Andernach, haben uns im Sozialkundeunterricht mit der Frage beschäftigt, ob das Internet für mehr politisches Interesse sorgt. dabei sind wir näher auf das Thema Frauenquote eingegangen. Wir sind der Meinung, dass eine gesetzliche festgelegte Frauenquote ein enormer Eingriff in die private Vertragsfreiheit ist und Probleme bei langer Anwesenheit am Arbeitsplatz auftreten können: zum Beispiel durch Kinder. Diese werden von den Müttern umsorg. Außerdem denken wir, dass das Unternehmen selbst in der Pflicht ist eine Frauenquote einzuführen. Außerdem wäre dieser Eingriff ein langwieriger Prozess, der Jahrzehnte lange Versäumnisse mit sich bringen würde. Wir sind natürlich auch der Meinung, dass eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrschen soll, doch eine gesetzliche Frauenquote ist unserer Meinung nach nicht die Lösung. Wir würden einen partnerschaftlichen Weg bevorzugen, sodass eine Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau herrscht. Desweitern haben Frauen sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt, sie sind viel selbstbewusster und qualifizierter geworden. Daraus folgt, dass keine gesetzliche Frauenquote erforderlich ist. Die Frage die wir uns jedoch stellen ist, falls die gesetzliche Frauenquote eingeführt wird, was passiert wenn ein Arbeitsplatz frei ist, sich ein Mann gefunden hat der diesen Job übernehmen würde, dort jedoch eine Frau eingestellt werden muss?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wir würden uns sehr über eine Antwort freuen.
Mit Freundlichen Grüßen
Janina Sieberling, Kim Ackermann, Paula Denkel, Laura Murillo und Alicia Schamber
Liebe Janina, Kim, Paula, Laura und Alicia,
vielen Dank für eure Frage! Ich freue mich sehr, dass ihr euch mit politischen Themen auseinandersetzt und Kontakt zu Abgeordneten aufnehmt. Gerne beantworte ich euch eure Fragen zur Frauenquote in der Reihenfolge, in der sie in eurer E-Mail gestellt werden.
Ist die Frauenquote ein Eingriff in die private Vertragsfreiheit? Ja. Gerechtfertigt wird dieser Eingriff meiner Meinung nach dadurch, dass wir den schwächeren Vertragspartner stärken müssen, um Verhandlungen auf Augenhöhe zu ermöglichen. Frauen werden strukturell benachteiligt. Sie verdienen strukturell weniger Geld bei gleichwertiger Arbeit. Sie haben strukturell geringere Karrierechancen. Sie haben strukturell größere Schwierigkeiten, bei ihrer Jobsuche eingestellt zu werden. Wie ich weiter unten noch ausführen werde, haben alle bisherigen freiwilligen Angebote und Appelle nicht gefruchtet.
Entstehen Probleme bei langer Anwesenheit am Arbeitsplatz? Warum sollte es? Kinder können auch von Vätern, Nachbarn, Schulen, Freunden, Vereinen, Tagesmüttern etc. betreut werden, wenn die Familie das will. Das ist nicht alleinige geschlechtsbedingte Aufgabe der Mutter. Sie soll frei entscheiden dürfen, ob sie arbeiten und/oder Kinder betreuen will. Deshalb haben wir die Kinderbetreuungseinrichtungen massiv ausgebaut.
Sind Unternehmen selbst in der Pflicht, eine Frauenquote einzuführen? Ja, aber sie tun es nicht oder zu wenig. Bevor wir als Gesetzgeber Anstrengungen unternommen haben, eine gesetzliche Frauenquote einzuführen, haben wir den Unternehmen viele Jahre lang die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu organisieren. Die Selbstverpflichtung ist allerdings gescheitert, der Frauenanteil in Führungsebenen hat sich viel zu wenig verändert. Deshalb müssen wir von außen eine Quote vorgeben.
Ist der partnerschaftliche Weg zu bevorzugen? Nicht mehr, denn wir haben es schon zu lange im Guten versucht. Seit 1949 steht im Grundgesetz, Artikel 3 Absatz 2: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". Alle Appelle in über 65 Jahren hatten zu wenig Wirkung. Deshalb müssen wir entsprechende Gesetze machen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass - solange überwiegend Männer die Entscheidungen treffen - Männer bevorzugt werden. Die herrschenden Strukturen müssen geändert werden - per Gesetz.
Was passiert, wenn ein Arbeitsplatz frei ist, bekommt dann der Mann oder die Frau den Job? Wir haben im letzten Jahr eine gesetzliche Frauenquote eingeführt für die Vorstände von DAX-Unternehmen und für den öffentlichen Dienst. Wenn in Aufsichtsräten die 30%-Quote nicht erreicht wird, bleibt bei Neubesetzungen der Stuhl leer, wenn keine geeignete Frau gefunden wird. Das soll die Unternehmen dazu zwingen, sich auf die Suche nach geeigneten Frauen zu machen. Wie ihr richtig sagt, gibt es genügend qualifizierte Frauen, aber sie erreichen die entsprechenden Positionen zu selten, weil häufig eher Männer gefragt werden. Im öffentlichen Dienst werden bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt. Also wenn sich ein Mann und eine Frau bewerben und beide gleich gut qualifiziert sind, muss die Frau eingestellt werden.
Ich werde weiter für die tatsächliche Gleichberechtigung von Frau und Mann kämpfen. In der Bildung haben wir schon viel erreicht, Frauen sind häufig genauso gut oder besser qualifiziert. Wir kämpfen weiter für gleiches Geld und gleiche Macht, nämlich auch für einen fairen Frauenanteil in den Parlamenten. Jahrzehntelang war nur jede fünfte Abgeordnete weiblich. Erst als die Grünen und die SPD eine Frauenquote eingeführt hatten, wurde ein Drittel der Mandate im Bundestag von Frauen erreicht. Allerdings hat sich der Frauenanteil in den letzten 25 Jahren kaum verändert. Meine Forderung ist ganz einfach: Wir sind die Hälfte der Bevölkerung, wir wollen die Hälfte des Kuchens.
Ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass ihr von diesem Kampf profitieren werdet und die Ernte einfahren könnt, wenn ihr eine Familie gründet und/oder Karriere machen wollt. Ich freue mich, wenn ihr euch weiter politisch engagiert.
Viele Grüße
Hilde Mattheis, MdB