Frage an Hilde Mattheis von Hans-Peter S. bezüglich Soziale Sicherung
Betr.: Pläne für ein 9.Gesetz zur Änderung des SGB II
Sehr geehrte Frau Mattheis,
mit dem Entwurf zum 9.Gesetz zur Änderung des SGB 2 sollen die Hartz-4-Leistungen zum 60.Mal verändert und verschärft werden. Die Änderungen verfehlen den eigentlichen Korrekturbedarf. So wurden die vom BVerfG angemahnten Nachbesserungen (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarfe, Brillen) außer Acht gelassen. Auch die angekündigte Entschärfung der Sanktionsregeln und die Aufhebung der Sonderstrafen für Unter-25-jährige scheiterte am Widerstand der CSU. Der Entwurf bringt eine richtungslose Sammlung von Schlechter- und Besserstellungen mit einer Reihe wenig durchdachter Änderungen, paradoxer Regelungen und unnötiger Verschärfungen. z.B. wird eine neue Obergrenze für die Heizkosten eingezogen. Dies ohne eine Möglichkeit, die starken Schwankungen bei Energiepreisen und Klima verlässlich zu berücksichtigen. Wohnkosten sind schon jetzt die strittigste Leistung, die neue Hürde führt zu einer „Rechtsverkomplizierung“ (s. § 22(10) SGB II-E).
Eine kritische Gesamtkommentierung gibt es in der Bundestagsausschussdrucksache 18(11)484, siehe http://tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Aus_der_Gesetzgebung/Fachstellungnahme_18_11_484.pdf von Harald Thomé und Frieder Claus.
Die Leistungsberechtigten von Hartz-IV-Leistungen wurden in der Vergangenheit bereits stark abgestraft. In der Angst, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden, sollten sie sichtbar aufgewertet werden. Ansonsten droht eine Beschleunigung des Rechtsrutsches hin zu Pegida, AfD, Neue Rechte und NSU, die in der Beratung schon jetzt sichtbar wird. Dies erfordert eine hohe soziale Sensibilität der Politik, sie darf jetzt auf keinen Fall weitere Verschärfungen in den Sozialleistungen sozial Benachteiligter zulassen.
In wie weit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Strobel
Sehr geehrter Herr Strobel,
vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Engagement im Bereich Sozialpolitik!
Das von Ihnen angesprochene 9. Gesetz zur Änderung des SGB II ist insbesondere ein Gesetz zur Rechtsvereinfachung. Damit beabsichtigen wir vor allem eines: weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Vermittlung in Arbeit.
Der Entwurf wurde Anfang Februar im Kabinett bewilligt und wird bis Mitte April dem Bundestag vorgelegt. Dann werden wir uns in den Ausschüssen die Haltungen der Verbände und Sachverständigen anhören und danach unsere abschließende Meinung bilden. Ich werde versuchen eine Schlechterstellung der Leistungsempfänger zu verhindern.
Grundsätzlich verfolgen wir die Zielrichtung, in den Jobcentern unnötige Bürokratie abzubauen. Das tun wir, in dem wir die unzähligen Einzel- und Sonderregelungen zur Leistungsbewilligung ein Stück weit zusammenfassen. Aufgrund der hohen Zuwanderung bekommt das Gesetz jetzt eine noch größere Bedeutung, da die Arbeit in den Jobcentern mehr wird und wir die Flüchtlinge schnell in den Arbeitsmarkt integrieren wollen. Arbeitslosengeld II wird zukünftig für zwölf statt bisher für sechs Monate bewilligt. Das entlastet, denn die Zahl der Prüfvorgänge wird deutlich reduziert.
Sie haben Recht, am Veto von CDU/CSU ist gescheitert, die Sanktionsregelungen für Arbeitslosengeld-II-Bezieher unter 25 Jahren denen für ältere Arbeitsuchende anzupassen. Sie werden damit weiterhin härter sanktioniert, obwohl sich das in der Praxis nicht bewährt hat. Auch eine Kürzung bei den Kosten für Unterkunft und Heizung wird es wegen der Blockadehaltung der Union weiter geben. Dies halten wir für den falschen Weg. Denn statt Menschen in Arbeit zu bringen, droht bei der Kürzung von Mietkostenzuschüssen Obdachlosigkeit. Die Chancen auf Beschäftigung werden zerstört.
Ich stimme Ihnen zu, dass mit dem vorliegenden Entwurf nicht alle Probleme gelöst werden und nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Wir werden im parlamentarischen Verfahren versuchen, unsere und Ihre Anliegen weiter voranzutreiben, sind dabei jedoch auf die Kompromissbereitschaft des Koalitionspartners angewiesen.
Freundliche Grüße
Hilde Mattheis, MdB