Frage an Hilde Mattheis von David D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Mattheis,
ich zitiere sie aus
ihrer Antwort an mich vom 24.02.2009
"[...]Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Sperrung einzelner Internetseiten ein geeignetes Instrument im Kampf gegen Kinderpornographie ist. Denn die Verbreitung über das Internet organisiert sich größtenteils über Tauschbörsen und ähnlichen Programmen.
Auch der Vorschlag aus dem Bundesfamilienministerium, dass ein schlichter Vertrag zwischen der Bundesrepublik und dem Bundeskriminalamt über die Sperrung von Internetseiten entscheiden soll, wirft rechtliche Fragen auf. Bei aller Verabscheuung der Inhalte, um die es hier geht, ist dies ein Vorgang, der die Grundrechte unserer Gesellschaft betrifft. [...]"
Sie haben dem Gesetzentwurf der einer zentralen Sperreinrichtung zustimmt bzw. sie legalisiert gestern zugestimmt. Unabhängig davon, dass ich vermute, dass das BVerfG dieses Gesetz umgehend wieder einkassieren wird muss ich sie nun doch sagen, wie sie zu dem Standpunkt kommen, dass dieselben Mittel die sie als zweifelhaften Grundrechtseingriff , als politischen Schnellschuß und als "fraglich Nutzbringend" bewertet haben nun plötzlich die rechtsstaatlichen anforderungen erfüllen und was noch wesentlich abwegiger ist - Nutzen bringen?
Nicht zuletzt die Tatsache, dass auf youtube Anleitungen existieren die die Umgehung von DNS sperren in unter 30 Sekunden demonstrieren sollte doch eigentlich klar machen, dass Leute mit Interesse an einer Umgehung nicht betroffen sind. Dies gilt übrigens für alle möglichen technischen Maßnahmen.
Und zuletzt: Wie kommt es, dass nahezu jegliche Meinung von Personen die sich mit der Materie auch nur in Ansätzen beschäftigt haben ignoriert wird? Auf Expertenmeinung wird in der Politik heutzutage offensichtlich nicht mehr viel gegeben. Was solls solangs um Wähler geht.
Achja auch ein schöner Zug, dass die Rekord-Petition mit 134000 Stimmen gegen eine Einrichtung von Sperrmaßnahmen kurzerhand ignoriert wurde auf diese Abstimmung hin.
MG,
David Dorst
Sehr geehrter Herr Dorst,
vielen Dank für Ihre Frage vom 19. Juni 2009 zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen.
Bereits zu Beginn dieser Diskussion war mir stets bewusst, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem notwendigen Kampf gegen Kinderpornographie und den hierdurch betroffenen Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger bewegen.
Wie Sie richtig bemerken, waren noch bis vor kurzem zahlreiche inhaltliche und rechtliche Fragen des (damaligen) Gesetzentwurfes nicht zufriedenstellend. Die SPD- Bundestagsfraktion hatte daher durchgesetzt, dass diese Punkte in einem transparenten parlamentarischen Verfahren erörtert wurden. Daher fand am 27. Mai eine Anhörung von Sachverständigen im Wirtschaftsausschuss zu diesem Thema statt. An dieser Stelle wurden also Experten zum Thema hinzugezogen und befragt. Damit konnten wir auch die in Teilen der Internet- Community aufgeworfenen Kritikpunkte, die ihren Ausdruck in einer stark beachteten E-Petition gefunden haben und auf die Sie hinweisen, angemessen einbeziehen. Gerade die in dieser E-Petition geäußerte Kritik in Bezug auf eine fehlende Kontrolle der Sperrlisten und ein intransparentes Verfahren haben wir erfolgreich aufgegriffen und umgesetzt. Der öffentliche Druck der Internet- Community ist also keinesfalls wirkungslos geblieben, sondern hat die allgemeine Sensibilität für diese Thema erhöht und letztlich der SPD den Rücken dafür gestärkt, wesentliche Änderungen am Gesetzesentwurf vorzunehmen.
Mit dem nun verabschiedeten Gesetzesentwurf wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Ich stimme Ihnen zu, dass hierdurch das Problem der Verbreitung von Kinderpornographie nicht beseitigt werden kann. Auch ist es richtig, dass technisch versierte Nutzer diese Stopp-Seite umgehen können. Doch es kommt entscheidend darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Denn der kommerziellen Verbreitung dieser Inhalte über das Internet darf auf keinen Fall weiter tatenlos zugesehen werden.
Ich habe dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung - zwar mit Bedenken - zugestimmt, weil die SPD-Bundestagsfraktion sich mit ihrer Forderung nach einer grundlegenden Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzentwurfes in den Verhandlungen auf ganzer Linie durchgesetzt hat. So bekämpfen wir nun nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren. Dies war in dieser Form vor der Überarbeitung bisher nicht gegeben.
Folgende rechtsstaatliche Grundsätze konnte die SPD in den Verhandlungen durchsetzen und waren, wie bereits erwähnt, der Grund für meine Zustimmung mit Bedenken:
. Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, so weit eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten keinen Erfolg hat oder zu lange dauern würde.
. Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren.
. Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
. Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.
Mit diesen Änderungen werden auch die wesentlichen Forderungen des Bundesrates, der Sachverständigenanhörung und der Netz-Community Rechnung getragen.
Bei der Abstimmung habe ich zudem eine Erklärung gemäß § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur 2./3. Lesung dieses Gesetzentwurfes abgegeben, welche Sie auf meiner Homepage einsehen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Hilde Mattheis MdB