Sehr geehrter Herr Miraß, würden Sie sich für die Prüfung eines AfD-Verbots im Bundesrat einsetzen und diese Petition unterstützen: https://innn.it/afdverbot/share?
Der Landesverband M-V präsentiert sich im NDR mit Leif-Erik Holm als "regierungsbereit", obwohl die Wahlen in M-V erst 2026 stattfinden. Mit Blick auf die Europawahl 2024 macht der Landesverband gegen "Genderkram" und für den Rückbau der EU, das Ende von Reisefreiheit und freiem Geldverkehr, mobil. Er grenzt sich nicht gegen gesichert rechtsextreme Kräfte in der AfD ab. https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/NDR-Sommerinterview-AfD-Landessprecher-Holm-Wir-wollen-regieren,sommerinterview552.html
Die AfD Thüringen wird beispielsweise als gesichert rechtsextrem eingestuft. Inakzeptabel und tatsächlich deutschland- und demokratiefeindlich sind die Positionen der AfD zu Russland, dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine und ihre Nähe zu russischen Propagandamedien und Politikern.
Tatsächlich können nur drei Institutionen den Antrag für die Prüfung eines Parteiverbots beim Bundesverfassungsgericht stellen: die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat (§ 43 BVerfGG).
Sehr geehrte Frau L.,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ein möglicher Antrag auf ein Verbot der AfD ist ein komplexes Thema bei dem es Für und Wider zu bedenken gilt. Parteien sind ein wesentlicher Bestandteil des demokratischen Verfassungsstaates. Ihre Aufgabe ist es, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Ihre Tätigkeit soll daher möglichst wenig durch den Staat beeinflusst werden. Allerdings müssen verfassungsfeindliche Bestrebungen von Parteien auch abgewehrt werden können. Das Verfahren des Parteiverbots ist in Art. 21 Abs. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zugewiesen.
Wie das BVerfG feststellt, stellt das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG die schärfste Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine Feinde dar. Aus gutem Grund sind in Deutschland hohe rechtsstaatliche Hürden an ein Parteienverbot geknüpft. Das BVerfG hat bisher zweimal ein Parteiverbot ausgesprochen: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und 1956 die KPD. 2003 wurde eine Verbotsverfahren gegen die NPD aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Verbot der NPD und sprach sich gegen ein Verbot aus, da es keine Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung der politischen Ziele der NPD sah.
Die bisherige Rechtsprechung zeigt: Alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen genügt dem BVerfG nicht für ein Parteiverbot. Es muss eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit des tatsächlichen Erreichens der verfassungsfeindlichen Ziele nachgewiesen werden. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.
Neben der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist auf europäischer Ebene zudem die Kompetenz des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte miteinzubeziehen, da Deutschland sich völkerrechtlich zur Achtung und zum Schutz der in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) normierten Rechte verpflichtet hat. Hiernach ist ein Parteiverbot nur bei zwingenden und überzeugenden Gründen und einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis rechtmäßig.
Ich finde diese Hürden und Voraussetzungen richtig und wichtig. Das Verbot einer Partei ist ein Schutzinstrument der Demokratie gegenüber denjenigen, die sie abschaffen wollen und darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung zwischen politischen Konkurrenten sein.
Trotzdem haben das Ende der Weimarer Republik und die Machterlangung der NSDAP auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Bundesrepublik Deutschland eine wehrhafte Demokratie ist, die verhindern kann, das demokratische Prinzipien gegen die Demokratie selbst gerichtet werden können.
Wiewohl wir uns in der Ablehnung der politischen Ziele und der Art und Weise des Agierens der AfD offenbar einig sind, hege ich nach derzeitigem Stand Zweifel an den Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens. Neben den verfassungsmäßigen Hürden ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass schon das Verfahren selbst der AfD eine öffentliche Bühne zur Selbstdarstellung und Stärkung des Opfernarrativs bietet. Scheitert dieses Verfahren, wie bei der NPD, könnte dies der AfD am Ende eher stärken.
Sollten sich allerdings aus der weiteren Beobachtung der Aktivitäten dieser Partei durch die einschlägigen staatlichen Institutionen Erkenntnisse ergeben, die im Sinne der oben dargestellten Kriterien zu beurteilen sind, bin ich für eine zügige und konsequente Einleitung eines Verbotsverfahrens.
Im Augenblick ist es nach meiner persönlichen Auffassung zielführender, den tieferliegenden Ursachen des Rechtsextremismus aktiv entgegenzuwirken, und zwar wo immer er einem begegnet. Dazu sind alle demokratischen Kräfte gefordert, argumentativ zu verdeutlichen, dass sie die besseren Lösungen bieten. Letztlich muss die AfD an der Wahlurne besiegt werden. Dafür setze ich mich als Sozialdemokrat in meiner täglichen Arbeit ein.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Miraß