Frage an Heike Baehrens von Matthias M. bezüglich Finanzen
Die Finanzkrise hat ihren Ursprung in einem betrügerisch angelegten Schneeballsystem das amerikanische Banken begonnen haben und welches sich weltweit verbreitet hat. Bei diesem Betrug wurden faule Kredite und hieraus resultierende Verbindlichkeiten in sogenannte forderungsbesicherte Wertpapiere umgewandelt, die in ausgelagerten Zweckgesellschaften gestückelt und zusammengestellt wurden. Die ursprünglichen Kreditgeber gaben Ihre Schrottkredite an andere Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Vermögensverwalter weiter. Anlagen in „forderungsbesicherte Wertpapiere“ mussten mit weniger Eigenkapital abgesichert werden weshalb durch diesen Betrug nicht nur die Risiken weltweit verstreut wurden sondern auch noch die Liquidität der Betrüger zunahm, da die Eigenkapitalrücklage gesenkt werden konnte um neue Kredite vergeben, verbriefen und weiter verkaufen zu können. Die größten Verbrecher bei dieser Geschichte sind/waren die Ratingagenturen, die diese Schrottpapiere prüften und als erstklassig deklarierten. Als das Schneeballsystem dann zusammenbrach mussten viele Banken mit Milliarden gestützt werden und viele Menschen sind unverschuldet z.B. durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Und was machen Sie als Politiker? Haben Sie diesen Betrug jemals so angesprochen? Und warum soll die Allgemeinheit und der Steuerzahler dafür bezahlen? Warum werden nicht die Verursacher in Regress genommen? In den USA wurden die Banken und Ratingagenturen wenigstens verklagt, warum macht Europa nicht das gleiche?
Sehr geehrter Herr Maunz,
vielen Dank für Ihre Frage über das Internetportal Abgeordnetenwatch.de. Bitte entschuldigen Sie die lange Bearbeitungsdauer. Dafür antworte ich Ihnen jetzt etwas ausführlicher:
Zunächst einmal möchte ich Ihnen Recht geben, dass die Finanzkrise 2008 als US-Immobilienkrise begann, die sich durch forderungsbesicherte Verbriefungen ausdehnen konnte. Die Krise war unter anderem Folge eines spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkts (Immobilienblase) in den USA. Es waren Verbriefungen minderwertiger amerikanischer Immobilienkredite, die die Finanzkrise auslösten. Dabei bündelten Banken massenhaft Kredite zu Paketen und verkauften sie an Investoren. Das Problem war, dass die Risiken verschleiert wurden. Als der Immobilienmarkt in den USA einbrach, kam es bei den Investoren, unter ihnen viele deutsche Banken, zu Milliardenverlusten. Mehrere Staaten sahen sich durch die Finanzkrise herausgefordert, große Finanzdienstleister (unter anderem American International Group, Fannie Mae, Freddie Mac, UBS und die Commerzbank) durch riesige staatliche Fremdkapital- und Eigenkapitalspritzen am Leben zu erhalten. Einige Banken wurden verstaatlicht und später geschlossen. Die ohnehin hohe Staatsverschuldung vieler Staaten stieg krisenbedingt stark an.
International und insbesondere EU-weit wurde auf die Finanzmarktkrise reagiert und der regulatorische Rahmen deutlich verschärft. Vor allem mit der EU-Rating-Verordnung wurde - als Reaktion auf die Finanzkrise - im Jahr 2010 in der EU der regulatorische Grundstein für eine staatliche Aufsicht über Kreditratingagenturen gelegt. Die EU-Rating-Verordnung enthält umfangreiche Vorschriften zur inneren Organisation einer Ratingagentur, die potenzielle Interessenkonflikte vermeiden oder verringern und eine möglichst hohe Qualität der Ratings sicherstellen sollen. Daneben umfasst sie zahlreiche Darstellungs- und Transparenzvorschriften, die es den Verwendern von Ratings ermöglichen sollen, die Grundlagen und Aussagekraft eines Ratings besser zu verstehen. Die verwendeten Ratingmethoden müssen gemäß der Verordnung "streng, systematisch und beständig" sein und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten (insbesondere Rückvergleichen) beruht.
Durch das Basel III-Regelwerk wurde zudem die Eigenkapitalbasis der Banken deutlich gestärkt. Zur Stärkung des Finanzsystems müssen die Banken ihr Kernkapital (sogenanntes hartes Kernkapital) erhöhen, dessen Qualität verbessern und Kapitalpuffer vorhalten. Als Mindestanforderung ist eine Kernkapitalquote von sieben Prozent vorgesehen, wobei stille Einlagen dafür nicht mehr akzeptiert werden (Qualitätsaspekt). Die hauptsächliche Zusammensetzung aus Stammaktien und thesaurierten (nicht ausgeschütteten) Gewinnen wurde als maßgeblich definiert, wobei die Regelungen für Banken mit nicht aktienbasierter Rechtsform angepasst wurden. In Perioden guter geschäftlicher Entwicklung sind die Geldinstitute angehalten, diese für den Aufbau von (antizyklischen) Kapitalpuffern zu nutzen, die dem harten Kernkapital zugerechnet werden. Des Weiteren wird als Krisenreaktion die Einhaltung einer maximalen Verschuldungsquote für Banken verpflichtend und wurden die Offenlegungspflichten verschärft. Weiterhin soll der Umfang des liquiden Kapitals erweitert werden, um die Zahlungsfähigkeit zu erhöhen.
Darüber hinaus wurde die so genannten Europäische Bankenunion implementiert, die sich aus drei Säulen zusammensetzt: der gemeinsamen Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM), dem gemeinsamen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Single Resolution Mechanism, SRM) sowie einem Sicherungssystem für Bankeinlagen.
So hat der Deutsche Bundestag in Umsetzung der europäischen Vorgaben mit Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion am 6. November 2014 das Gesetzespaket mit EU-weit geltenden Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Banken verabschiedet. Durch die Einführung des so genannten Bail-in-Instrumentes mit der vorrangigen Heranziehung der Eigentümer (Aktionäre) und Gläubiger einer in Schieflage geratenen Bank haben wird das Risiko einer künftigen Belastung der Steuerzahler massiv verringert.
Fazit: In der Analyse über die Ursachen der Finanzkrise kann ich Ihnen weitestgehend zustimmen. Als Reaktion wurde aber ein umfassender politisch-regulatorischer Rahmen geschaffen, der künftige Krisen möglichst vermeidet bzw. einschränkt und vor allem den Steuerzahler nicht mehr an Krisenfolgekosten beteiligt. Von daher wurden die Lehren aus der Finanzkrise gezogen.
Mit freundlichem Gruß
Heike Baehrens, MdB