Frage an Harald Ebner von Peter F. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Ebner,
mehrfach wurde schon über die Verkleinerung unseres Parlaments diskutiert bzw. auch schon Anträge abgelehnt.
Wie stehen Sie zur Reduzierung des Parlaments ?
Freundliche Grüße
P. F.
Sehr geehrter Herr Feil,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Als grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns nicht erst seit Beginn der Legislatur für eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Deutschen Bundestages ein. Die eigentlich vorgesehen Zielgröße des Bundestages von 598 Abgeordneten ist mit aktuell 709 Mitgliedern bereits weit überschritten. Manche Prognosen sagen für die nächste Bundestags-Wahl sogar ein Anwachsen auf nahezu 800 Abgeordnete voraus. Nachdem jahrelange Bemühungen in Kommissionen und Ältestenrat allerdings keinen Schritt weitergeführt haben, haben wir bereits im November des letzten Jahres gemeinsam mit den beiden anderen demokratischen Oppositionsparteien Linke und FDP einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir wollen ihn diese Woche zur Abstimmung bringen.
Grundlage all unserer Überlegungen hierbei ist unser personalisiertes Verhältniswahlrecht. Die Sitzverteilung im Bundestag muss das Ergebnis der Zweitstimmen eindeutig widerspiegeln. Denn für uns Grüne im Bundestag ist klar: jede Stimme muss gleich viel wert sein.
Um eine Verkleinerung des Bundestages zu erwirken, sollen Überhangmandate vermieden werden, indem das Verhältnis von Listen- und Direktmandaten zugunsten der Listenmandate verändert wird. Im Wesentlichen erreichen wir dies durch drei Maßnahmen:
· Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 250
· Abschaffung des Sitzkontingentverfahren
· Moderate Erhöhung der Gesamtsitzzahl von 598 auf 630
Dadurch, dass alle Fraktionen proportional von der Verkleinerung betroffen wären, stellt unser Vorschlag auch für alle Fraktionen im Deutschen Bundestag aus unserer Sicht eine faire Verhandlungsgrundlage dar.
Den genauen Wortlaut und die konkreten Vorschläge des Gesetzesentwurfes finden Sie hier: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/146/1914672.pdf
Am Donnerstag, den 14.05.2020, gab es im Plenum eine Aktuelle Stunde zur Wahlrechtsreform (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw20-de-aktuelle-stunde-wahlrechtsreform-695542) und am Montag, den 25.05.2020, fand eine öffentliche Anhörung zu dem von uns vorgelegten Gesetzesentwurf im Ausschuss für Inneres und Heimat statt (https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7446488#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NDQ2NDg4&mod=mediathek). In der Anhörung wurde bestätigt, dass unser Reformvorschlag geeignet ist, um den Bundestag effektiv zu verkleinern.
Die SPD hat mittlerweile über ein Beschluss-Papier ein Kappungsmodell ins Gespräch gebracht, bei dem jede Partei nur mit so vielen direkt gewählten Abgeordneten ins Parlament einziehen könnte, wie ihr Zweitstimmenergebnis ermöglichen würde. Hierbei würde die ursprüngliche Zahl von 299 Wahlkreisen beibehalten, die maximale Größe des Bundestages aber auf 690 Abgeordnete begrenzt werden. Dieser Vorschlag wäre für uns akzeptabel, da hierbei das Verhältniswahlrecht bewahrt bleiben würde. ABER: die SPD kann diesen Vorschlag nicht in den Bundestag einbringen, da sie nur gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU/CSU agieren möchte und die Union diesen Vorschlag nicht mitträgt.
Aus meiner Sicht liegt bei der Unionsfraktion auch der Grund, warum eine Wahlrechtsreform nach wie vor verschleppt wird: allen voran die 46 Abgeordneten der CSU blockieren jeden Ansatz einer Reform, weil sie denken, dass die bislang vorgelegten Vorschläge nicht zu ihrem eigenen Vorteil dienen. Stattdessen pochen CDU und CSU weiterhin auf Vorschläge, die das Zweitstimmenergebnis nicht widerspiegeln und von denen klar ist, dass sie keine Grundlage für eine Einigung mit den übrigen Fraktionen im Bundestag ist. Mit dieser Taktiererei setzen die Unionsfraktionen das Vertrauen in die Reformfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie aufs Spiel!
Da die Fraktionsspitze der Union bisher nicht in der Lage ist, die internen Streitereien und den Vielstimmenchor in zu beenden, ist die Situation dementsprechend festgefahren und uns bleibt zunächst nichts anderes übrig, als weiterhin auf die Vernunft der CDU/CSU zu hoffen. Der jüngste Vorschlag von Ralph Brinkhaus ist keine Reform, lässt nach wie vor ein Mega-Parlament zu und verzerrt das Wahlergebnis zu Gunsten ausschließlich der Unionsfraktion.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Ebner