Frage an Hans-Peter Storz von Robert W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Storz
die SPD begrüßt die Gesetztesinitiative, stimmt aber wegen des Koalitionsvertrages dagegen. Und ich dachte immer, die Freiheit des Gewissens ist das, was den Abgeordneten zu einem Votum führt. Wie kannes sein, dass der Gedanke nach Machterhalt so wichtig wird, dass er über der eigenen Überzeugung steht? Wobei sich als nächstes die Frage aufdrängt: Wer denkt noch selbst, wenn er unter derart koalitionärer Lenkung steht?
Mit freundlichen Grüßen
Robert Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
vielen Dank für Ihre Frage.
Sie haben richtig erkannt, dass der Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD keine Alkoholkonsumverbote auf öffentlichen Plätzen vorsieht. Vielmehr haben sich die beiden Parteien darauf verständigt Brennpunkte zu entschärfen, an denen exzessiv Alkohol konsumiert und es dadurch bedingt zu einer Häufung von Straftaten kommt. Dies soll vor allem durch verbesserte Präventionsangebote und die Ausschöpfung des schon heute vorhandenen rechtlichen Rahmens erfolgen.
Konkret heißt es hierzu im Koalitionsvertrag: "Einen besonderen Schwerpunkt der Prävention setzten wir beim Alkohol- und Tabakkonsum. Den Nichtraucherschutz werden wir konsequent weiterentwickeln. Wir drängen auf die Einhaltung und Kontrolle der Regeln zur Abgabe alkoholischer Getränke und wollen den bestehenden rechtlichen Rahmen ausschöpfen, um Brennpunkte zu entspannen und die Weitergabe alkoholischer Getränke an Jugendliche zu erschweren." Grundsätzlich unterstütze ich die im Koalitionsvertrag vorgesehene Regelung, könnte mir aber auch ein örtlich und zeitlich stark eingeschränktes Alkoholverbot durchaus vorstellen. Dies jedoch nur, wenn es sich um einen örtlichen Kriminalitätsschwerpunkt handelt, an dem Straftaten in eindeutigem Zusammenhang mit Alkoholkonsum stehen. Ein wie auch immer ausgestaltetes Alkoholkonsumverbot, kann jedoch nie die Präventionsarbeit ersetzten.
Ich gehe davon aus, dass Sie mit der Gesetzesinitiative, die Sie ansprechen, den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion meinen, der am 14. März 2012 im Plenum des Landtags zur Abstimmung kam. Ich habe damals gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen sowie einem Großteil der FDP-Fraktion gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Dies habe ich vor allem deshalb getan, da der Gesetzesentwurf weitaus striktere Einschränkungen zur Folge gehabt hätte, als ich mir dies vorstellen könnte.
Abschließend gehe ich gerne auch auf Ihre Frage nach der "Freiheit des Gewissens" von Abgeordneten ein. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich als Abgeordneter sehr wohl meinem Gewissen verpflichtet fühle und diesem im Zweifel auch Vorrang vor einer Fraktions- oder Koalitionsmehrheit einräumen würde und gegen einen Mehrheitsbeschluss stimmen würde. Allerdings halte ich die Frage, ob wir ein eingeschränktes Alkoholverbot einführen nicht für eine Gewissensfrage. Würden wir jede politische Entscheidung als Gewissensfrage definieren, bräuchten wir keine Parteien, Fraktionen und Parlamente. Kurzum, unsere Demokratie müsste anders organisiert werden.
Manchmal müssen wir in der Demokratie auch Mehrheitsentscheidungen akzeptieren, ohne dabei die Rechte und den Schutz von Minderheiten zu vernachlässigen. Sie können sich sicher sein, letzteren fühle ich mich als Sozialdemokrat und Theologe besonders verpflichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hans-Peter Storz