Wollen Sie die Westbalkan-Regelung auf die Ukraine ausdehnen? Wollen Sie ukrainischen Flüchtlingen eine Perspektive geben?
Sehr geehrter Herr Demir,
In Deutschland wurden sehr viele Flüchtlinge aus der Ukraine nach der »Massenzustrom-Richtlinie« aufgenommen. Diese sieht aber eine Aufnahme nur für höchstens drei Jahre vor, also bis Anfang März 2025. Der Krieg in der Ukraine dauert aber schon seit 2014, die Aufnahme findet seit März 2022 statt. Da der Ukraine die Unterstützung mit modernen Waffen in ausreichender Zahl nach wie vor verweigert wird, wird der Krieg länger dauern – die NATO plant jetzt die Unterstützung für die nächsten fünf Jahre.
Mit einem Aufenthaltstitel bis März 25 können die Flüchtlinge schwer Arbeit finden oder eine Ausbildung starten. Die Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen dauert zu lange.
Könnten Sie sich dafür einsetzen, dass die Westbalkan-Regelung auf die Ukraine ausgedehnt wird? Der Bundestag hat sich grundsätzlich schon positiv zur Ausweitung gestellt. So könnten ukrainische Flüchtlinge eine Bleibeperspektive erhalten.
Sehr geehrter Herr P.,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift und dass Sie auf die wichtige Frage der Bleibeperspektive für die über eine Millionen nach Deutschland geflohenen Ukrainer:innen hinweisen.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir uns leider nicht darauf verlassen können, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeitnah beendet wird - so sehr ich mir dies auch wünschen würde. Es ist also wichtig, über Bleibeperspektiven über den bisher geltenden dreijährigen "temporären Schutz" hinaus nachzudenken.
Eine Option wäre dabei die Westbalkan-Regelung. Diese Regelung stellt Menschen aus den Westbalkan-Staaten gegenüber Staatsangehörigen anderer Länder außerhalb der EU insoweit besser, dass sie keine Qualifikationsnachweise erbringen müssen und somit jede lebensunterhaltssichernde Beschäftigung für einen Aufenthaltstitel ausreicht. Ich unterstütze diese Regelung sehr: weil Deutschland auf allen Qualifikationsniveaus Erwerbsmigration braucht, aber auch, weil die Regelung ein pragmatisches Instrument ist, um für Länder, in denen ein hohes Interesse an Migration nach Deuthschland besteht, reguläre Wege unterhalb der Schwellen der Fachkräfteeinwanderung zu schaffen. Ich habe deshalb auch im Juni 2023 dem Beschluss des Deutschen Bundestags, dass die Bundesregierung im Rahmen von Migrationsabkommen vergleichbare Regelungen auch für andere Staaten schaffen soll, zugestimmt.
Für eine humanitäre Situation wie die Ukraine-Aufnahme ist die Westbalkan-Regelung allerdings aus meiner Sicht nicht die ideale Lösung. Die Westbalkan-Regelung hilft nämlich nur Personen, die bereits eine Beschäftigung gefunden haben. Ukrainer:innen, die beispielsweise noch deutsch lernen oder in einer Fördermaßnahme auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet werden, könnten dann nicht bleiben.
Ich halte daher einen erneuten, pauschalen humanitären Aufenthaltstitel für den sinnvolleren Weg. Dieser sollte selbstverständlich - wie sie schreiben - die Beschäftigung auch für die Personen erlauben, die ihre ukrainische Qualifikation noch nicht anerkennen lassen konnten. Dies ist aber auch jetzt schon der Fall. Ideal wäre zudem, wenn es wieder eine gemeinsame europäische Lösung für einen Schutzstatus gäbe.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir