Steht die Bundesregierung noch zum Schengener Übereinkommen oder bestrebt sie die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an allen Binnengrenzen der EU?
Sehr geehrter Herr Demir,
die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen ist aus meiner Sicht eine der sichtbarsten Errungenschaften in der EU. Sie ist aber nicht nur ein Nice-to-have für den Sommerurlaub im Nachbarland sondern ist für das wirtschaftliche Zusammenwachsen unseres Kontinents von großer, realer Bedeutung. Die Erfahrung mit den Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze zeigt aber, dass es politischen Entscheidungsträgern schwerfällt, Grenzkontrollen komplett abzuschaffen, wenn sie einmal wiedereingeführt worden sind.
Die Wiedereinführung von - temporären - Grenzkontrollen ist europarechtlich nur als letztes Mittel zulässig. Mich würde es daher interessieren, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen wird, um die Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen so schnell wie möglich aufzulösen? Oder hat die Bundesregierung jetzt einen Grundpfeiler der Europäischen Union de facto aufgekündigt?

Sehr geehrter Herr B.,
danke für Ihre Frage.
Das Bundesinnenministerium hat vorübergehende Binnengrenzkontrollen an den Landesgrenzen eingeführt, um Schleusungskriminalität zu bekämpfen und „irreguläre Migration“ zu begrenzen. Im Rahmen der Innenministerkonferenz 2024 erklärte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, dass die Grenzkontrollen über den März 2025 hinaus fortgesetzt werden sollen.
Für mich steht fest: Grenzkontrollen können keine Dauerlösung sein. Denn das Schengener Abkommen ist eine zentrale Errungenschaft, mit der wir über 400 Millionen Menschen die Möglichkeit gegeben haben, frei zwischen EU-Mitgliedstaaten zu reisen, ohne langwierige Grenzkontrollen zu durchlaufen. Mit einer Abwendung von Schengen lösen wir außerdem möglicherweise Kettenreaktionen in anderen EU-Ländern aus.
Grenzkontrollen dürfen daher immer nur temporär befristet oder anlassbezogen erfolgen und müssen das letzte Mittel bleiben. Um Schleusungskriminalität zu bekämpfen und die deutsche und europäische Migrationspolitik zu verbessern, braucht es eine gesamteuropäische Lösung, mit der schutzsuchenden Personen auf Augenhöhe begegnet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir