Noch mehr Chaos bei der Ausländerbehörde und Einbürgerungsbehörde?
Sehr geehrter Herr Demir,
ich möchte mich für Ihre Bemühungen bezüglich des Staatsbürgerschaftsrechts bedanken. Ich fand die bisherigen Gesetze, die vom Abstammungsprinzip herrührten, undemokratisch. Ich stamme aus Nordamerika. In meinem Fall müsste ich meinen amerikanischen und kanadischen Pass abgeben, um eingebürgert zu werden, während meine deutsche Frau und Kinder alle Pässe behalten dürfen. Das Ergebnis: Ich lebe und arbeite seit fast 17 Jahren in der BRD und komme alle Verpflichtungen nach, und darf nicht wählen. Nun zu meiner Frage: Aktuell dauert es 9 Monate, um einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde zu bekommen. Trotz Vereinfachung des Gesetzes, wird es eine Lösung für die Behörden Stau geben? Denn es werden nun 5 Millionen Menschen zusätzlich in der Lage sein, sich einbürgern zu dürfen. Ansonsten könnte die Bearbeitungszeit die Aufenthaltszeit übersteigen.
Sehr geehrter Herr G.,
herzlichen Dank für Ihre unterstützende Nachricht.
Als zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für das Staatsangehörigkeitsrecht setze ich mich dafür ein, dass der Zugang zur Staatsangehörigkeit deutlich erleichtert wird. Zentrale Bausteine sind dabei die generelle Ermöglichung der Mehrstaatigkeit und die Absenkung der Fristen für die Einbürgerung und für den Erwerb der Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern.
Wie Sie zu Recht schreiben geht es bei der Ermöglichung der Mehrstaatigkeit um fundamentale demokratische Rechte. Die alte Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen ist nachvollziehbarerweise die zentrale Hürde auf dem Weg zur Einbürgerung – mit dem Resultat, dass sich Millionen von Menschen in ihrer neuen Heimat nicht einbürgern lassen und entsprechend nicht wählen dürfen. Ich möchte stattdessen, dass alle Menschen, die dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, gleichberechtigt demokratisch teilhaben können, dass sie wählen und gewählt werden können – und zwar auf allen Ebenen.
Nun zu ihrer Frage: Wie sie bereits schreiben, wird die Reform gegenläufige Effekte haben. Einerseits werden die Mehrstaatigkeit sowie Klarstellungen bei der Identitätsfeststellung und Erleichterungen bei Sprachanforderungen für Menschen über 67 Jahren die Verfahren erleichtern. Besonders die Abschaffung der oft aufwendigen Prüfungen von Ausnahmen zur Pflicht der Aufgabe der bestehenden Staatsangehörigkeit werden wichtige Kapazitäten freisetzen. Die Staatsangehörigkeitsreform wird die Fallzahlen aber auch deutlich erhöhen. Ich teile dabei ihre Ansicht, dass durch die zusätzlichen Fälle mehr Kapazitäten bei den Einbürgerungsbehörden notwendig sein werden als durch die Verfahrenserleichterungen eingespart werden.
Wie sie diese zusätzlichen Anforderungen bewältigen, liegt in der Hand der zuständigen Länder und Kommunen. In Berlin setze ich mich zusammen mit der Berliner Landesregierung für eine klare Strategie ein: zentralisieren, digitalisieren, Personal aufstocken. Ich begrüße deshalb, dass die Landesregierung eine zentrale Einbürgerungsbehörde plant, in der die Zahl der bearbeiteten Fälle auf das 2,5-fache gesteigert werden kann. (https://www.berlin.de/aktuelles/7899498-958090-mehr-tempo-einbuergerungszentrum-soll-an.html)
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir