Ich bin Azubi und habe am 28.05.2024 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Mein Antrag wird wohl abgelehnt, da es am 27.06.2024 eine Gesetzesänderung gegeben hat. Habe ich keinen Bestandsschutz?
Sehr geehrter Herr Demir, ich bin syrischer Herkunft und Azubi in einem deutschen Kfz-Betrieb. Die Ausbildung werde ich voraussichtlich in diesem Jahr abschließen und mein Ausbildungsbetrieb will mich übernehmen. Am 28.05.2024 habe ich bei der Stadt Minden einen Einbürgerungsantrag gestellt. Ich erfülle alle Voraussetzungen... nunmehr wird mit mitgeteilt, dass mein Antrag wohl abgelehnt wird und ich noch bis zum 24.10.2024 eine Stellungnahme abgeben könnte. Als Begründung wurde angeführt, dass die Einbürgerung die Sicherstellung des Lebensunterhalts voraussetzt. Bisher waren Schüler und Auszubildende hiervon ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung ist im SGB II am 27.06.2024 weggefallen. Ich lebe bei meinen Eltern im gemeinsamen Haushalt. Nunmehr stelle ich mir die Frage, ob eine Gesetzesänderung während des Antragsverfahrens diese Nachteile für mich mit sich bringen kann. Nicht auszudenken, wenn das Antragsverfahren am 26.06.2024 abgeschlossen worden wäre. Ich wäre jetzt Deutscher!
Sehr geehrter Herr M.,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift.
Ich sehe drei wichtige Informationen für Ihre Situation:
(1) Die neuen Regelungen gelten nicht für Einbürgerungsanträge, die bis zum 23. August 2023 gestellt wurden. Bei diesen Anträgen ist die Einbürgerung im Rahmen der Anspruchseinbürgerung auch dann weiter möglich, wenn der Lebensunterhalt aus nicht selbst verschuldeten Gründen nicht ohne Sozialleistungen gedeckt werden kann. (bei Studierenden und Auszubildenden wird dies in der Regel angenommen) Sollten Sie Ihren Antrag vor dem 23. August 2023 gestellt haben, wäre es wichtig die Behörden auf diese Übergangsregelung hinzuweisen.
(2) Es ist möglich, einen Antrag zurückzustellen. Vielleicht können Sie mit Ihrer Behörde vereinbaren, dass die Behörde das Ende der Ausbildung und die Übernahme abwartet - danach sollte die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen voraussichtlich gewährleistet sein.
(3) Auch für den Fall, dass die Lebensunterhaltssicherung im Rahmen der Anspruchseinbürgerung nicht ausreichend ist, ist die Einbürgerung nicht ausgeschlossen. Ich habe mich im Deutschen Bundestag dafür eingesetzt, dass für verschiedene Personengruppen die Einbürgerung im Rahmen der Ermessenseinbürgerung erfolgen soll und wir haben diese Grundsätze auch in einem Entschließungsantrag festhalten können: https://dserver.bundestag.de/btd/20/100/2010093.pdf . Dabei sollen insbesondere Alleinerziehende, pflegende Angehörige oder Menschen mit Behinderung sowie Menschen in Studium und Ausbildung berücksichtigt werden. Voraussetzung ist selbstverständlich immer, dass man alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um seinen Lebensunterhalt selbst zu decken.
Grundsätzlich würde ich angesichts Ihrer Situation empfehlen, dass Sie sich an eine sogenannte Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) bzw. die Jugendmigrationsdienste (JMD) wenden (hier finden Sie eine Übersicht über Beratungsstellen in Ihrer Nähe: https://bamf-navi.bamf.de/de/Themen/Migrationsberatung/) oder sich anwaltlich beraten lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir