Hakan Demir
Hakan Demir
SPD
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Frage von Aliaksandr S. •

Frage zur Einbürgerung ohne belarussischen Pass.

Sehr geehrter Herr Demir,

aufgrund des neuen Erlasses des belarussischen Präsidenten, Erlass Nr. 278 vom 4. September 2023, sind konsularische Dienstleistungen in Botschaften eingeschränkt, und belarussische Bürger werden aufgefordert, persönlich nach Belarus zu reisen, um Angelegenheiten zu regeln. Diese Verordnung macht es praktisch für junge Menschen, die keine Passverlängerung bekommen haben aber aus persönlichen Gründen nicht in das Land einreisen wollen (aufgrund beispielsweise der Angst in der aktuellen Situation zum Militär eingezogen zu werden), unmöglich, ohne den gültigen Pass hier in Deutschland eingebürgert zu werden. Gibt es da eine Ausnahmeregelung?

Hakan Demir
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

herzlichen Dank für Ihre Frage. 

Sowohl bei der Anspruchs- als auch bei der Ermessenseinbürgerung sind die Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit nur Personen eingebürgert werden, bei denen zweifelsfrei geklärt ist, um wen es sich handelt. Identität und Staatsangehörigkeit werden in der Regel durch einen gültigen Reisepass des Herkunftslandes nachgewiesen. 

Jetzt sprechen Sie aber richtigerweise an, dass es Fälle gibt, in denen Menschen keinen gültigen Reisepass besitzen und diesen auch nicht auf zumutbare Art und Weise besorgen können. Um dieser Situation gerecht zu werden, hat das Bundesverwaltungsgericht das sogenannte Stufenmodell entwickelt, um im Einzelfall auch durch andere amtliche oder nicht-amtliche Dokumente (inkl. abgelaufenen Reisepässen) oder sogar durch den Vortrag zur persönlichen Lebensgeschichte (beispielsweise auch mit Zeugenaussagen) die eigene Identität nachzuweisen. Eine gute Erklärung des Vorgehens findet sich in dieser sehr hilfreichen Broschüre des Landtags Schleswig-Holstein: https://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/beauftragte/fb/Dokumente/Identitaetsklaerung-und-Passpflicht-Zuwanderungsbeauftragter-SH.pdf

Die Frage bei den unterschiedlichen Stufen ist immer, wann es nicht mehr zumutbar ist, die Anforderungen einer Stufe zu erfüllen - also in Ihrem Fall, wann es nicht zumutbar einen aktuellen Reisepass aus Belarus vorzulegen. Die Entscheidung darüber liegt in der Hand der lokalen Einbürgerungsbehörden (bzw. in der Hand der Verwaltungsgerichte, falls Sie gegen eine negative Entscheidung klagen). 

Ich würde Ihnen also empfehlen, Ihrer Behörde vor Ort Ihre Situation zu schildern, dabei ausführlich darzulegen, warum Sie nicht nach Belarus reisen können und zu vereinbaren, wie Sie auch ohne gültigen Reisepass Ihre Identität im Einbürgerungsverfahren nachweisen. Wichtig dabei ist, dass Sie über die mögliche Einziehung zum Wehrdienst hinaus Gründe vorlegen - denn die Einberufung zum Wehrdienst gilt grundsätzlich erst einmal als zumutbar. 

Konkret im Fall Belarus hilft es hoffentlich, dass das Bundesinnenministerium bereits auf den von Ihnen geschilderten Erlass reagiert hat und die lokalen Behörden darauf hingewiesen hat, dass bei Gefährdungslagen von der Passbeschaffung in Belarus abgesehen werden sollte. Der niedersächsische Flüchtlingsrat hat das Schreiben auch hier veröffentlich: https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2023/12/20231116_Laenderschreiben_Zumutbarkeit-der-Passbeschaffung-zur-Erfuellung-der-Passpflicht.pdf 

Sollten Sie rund um die Kontaktaufnahme mit Ihrer Behörde vor Ort weitere Beratung benötigen, empfehle ich Ihnen, sich anwaltlich oder von einer ortskundigen Migrationsberatung (https://bamf-navi.bamf.de/de/Themen/Migrationsberatung/) beraten zu lassen. 

Mit freundlichen Grüßen

Hakan Demir 

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