Frage an Gudrun Kopp von Franz J. G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Kopp,
mit Entsetzen lese ich jetzt 3 für mich sehr wichtige Entscheidungen stehen an bzw. wurden getroffen, meine Frage an Sie
1) Finden Sie die Erhöhung der Diäten in diesen Zeiten als notwendig an und werden Sie für die Erhöhung stimmen?
2) Die Renten im Westen sollen um sagenhafte 0,25% erhöht werden. Finden Sie dies im Vergleich zur Erhöhung der Diäten als gerecht und wie werden Siie stimmen?
3) Empfinden Sie die unterschiedliche Berechnung von Kindererziehungszeiten als gerecht und wie haben Sie sich in dieser Angelegenheit verhalten?
Über Ihre Antwort freue ich mich.
Mit freundlichem Gruß
Franz J. Girmes
Sehr geehrter Herr Girmes,
danke für Ihre Fragen, die ich hier gerne beantworte:
Zur Diätenerhöhung:
Sie beziehen sich sicherlich auf Meldungen in den vergangenen Wochen, in denen von einer erneuten Diätenerhöhung die Rede war. Lassen Sie mich kurz auf den Hintergrund dieser Erhöhungen von 2012 und 2013 eingehen:
Das Abgeordnetengesetz regelt, dass sich die so genannte Abgeordnetenentschädigung nach der Besoldung von Bundesrichtern bei einem Obersten Gerichtshof (Besoldungsgruppe R6) und der Besoldung von Wahlbeamten auf Zeit (das sind zum Beispiel Oberbürgermeister) von Kommunen mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern richten soll (Besoldungsgruppe B6). Diese Orientierungsgröße wurde verfassungsrechtlich so gewählt, weil man die Verantwortung und Belastung von Abgeordneten, Richtern und Wahlbeamten für vergleichbar hält. Der Vorteil bei der Wahl einer Orientierungsgröße ist, dass es auf diese Weise einen objektiven Maßstab für die Diäten gibt und Transparenz sowie Vergleichbarkeit hergestellt werden kann.
Nun ist es aber so, dass zu Beginn der laufenden 17. Wahlperiode die Abgeordnetenentschädigung 6 Prozent unter diesen Bezugsgrößen lag. Selbst mit den Erhöhungen im Januar 2012 und Januar 2013 liegen die Diäten noch immer ca. 300€ unter dem Soll. Wir Abgeordneten haben mehrmals auf Diätenerhöhungen verzichtet, um der nötigen Haushaltskonsolidierung Rechnung zu tragen.
Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages hat 2011 eine Unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts gebeten, unter anderem die Angleichung der Diäten an die Orientierungsgrößen zu entwickeln. Diese Kommission hat nun im März 2013 vorgeschlagen, eine Indexierung im Abgeordnetenrecht zu verankern. Das bedeutet, dass die Abgeordnetenentschädigung dem vom Statistischen Bundesamt errechneten Nominallohnindex und damit der Entwicklung der Bruttomonatsverdienste der abhängig Beschäftigten im Bundesgebiet folgen. Die Anpassung soll, laut Empfehlung der Kommission, dann automatisch immer am 1. Juli eines Jahres erfolgen. Jeder neu gewählte Bundestag stimmt dann über eine Beibehaltung der Indexierung für die folgende Wahlperiode ab. Ich halte diese Regelung für sinnvoll, da sie Transparenz schafft und nachvollziehbar ist. Abstimmen über diesen Reformvorschlag wird allerdings erst der neue Bundestag.
Erhöhung der Renten West um 0,25%:
Zum 1. Juli 2013 hat die Bundesregierung den aktuellen Rentenwert neu bestimmt. Der Rentenwert richtet sich nach:
- Der Lohn- und Gehaltsentwicklung der Arbeitnehmer/-innen. Hier ist im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 1,5 Prozent zu verzeichnen.
- Veränderungen bei den Aufwendungen für die gesetzliche sowie die geförderte private Altersvorsorge für Arbeitnehmer/-innen (Riester). Der durchschnittliche Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung ist 2012 gegenüber 2011 um 0,3 Prozent gesunken. Die Aufwendungen für die geförderte private Altersvorsorge sind um 0,5 Prozent gestiegen.
- Dem so genannten Nachhaltigkeitsfaktor. Dieser stellt Veränderungen des Verhältnisses von Beitragszahlern und Rentenempfängern unter Berücksichtigung von Konjunktur und Demografie dar. Für die aktuelle Berechnung des Rentenwerts wirkt er mit 0,72 Prozent dämpfend.
Alles in allem ergibt sich daraus für das Jahr 2013 ein so genannter Anpassungsfaktor von 0,5 Prozent für die Renten West.
Allerdings greift nun noch eine Schutzklausel, die verhindert, dass es zu einer Rentenkürzung kommt. Die volkswirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2005 und 2006 hätte rechnerisch eine Kürzung der Renten zur Folge haben müssen. Dies hat die 2004 eingeführte Schutzklausel verhindert, die eine Rentengarantie beinhaltet: Selbst wenn die Löhne sinken, wird die Rente nicht gekürzt. Die Kosten dieser Rentengarantie müssen dennoch wieder ausgeglichen werden, auch im Sinne der Generationengerechtigkeit. Bislang liegt der Ausgleichsbedarf bei 0,71 Prozent. Dieser Ausgleich wird durch Halbierung der rechnerischen Rentensteigerung erreicht. Für 2013 halbiert sich so der Anpassungsfaktor von 0,5 Prozent auf 0,25 Prozent für die Rente West.
Die aktuelle Rentenwertsbestimmung wird jährlich vom Bundeskabinett als Verordnung beschlossen und bedarf nicht der Abstimmung durch den Deutschen Bundestag.
Sehr geehrter Herr Girmes, wie Sie anhand der Herleitungen zu Abgeordnetenentschädigung und Rentenhöhe sehen können, sind dies völlig unterschiedliche Töpfe. Renten sind Versicherungsleistungen, die von (jüngeren) Arbeitnehmern getragen werden, um älteren, ehemaligen Arbeitnehmern ihren Lebensunterhalt zu sichern. Renten sind Generationenverträge, die beiden Seiten, Beitragszahlern wie Rentenempfängern gerecht werden müssen. Um diesen Ausgleich zu schaffen, müssen Formeln gefunden werden, die die Renten der jeweiligen ökonomischen Situation, den Löhnen sowie dem Verhältnis beider Generationen anpassen.
Abgeordnete werden aus Steuermitteln bezahlt. Um die Gehälter der beim Staat beschäftigten Arbeitnehmer festzulegen, sind Besoldungsgruppen eingerichtet worden, die der Tätigkeit, der Befähigung, der Position und anderen Faktoren Rechnung tragen. Mit der Koppelung an eine Bezugsgröße, nämlich der Besoldung eines Richters, bzw. Bürgermeisters einer mittelgroßen Stadt wird die Abgeordnetenentschädigung gesetzlich festgesetzt.
Unterschiedliche Berechnung von Kindererziehungszeiten:
Derzeit gilt: Für ein Kind, das vor 1992 geboren ist, werden der Mutter Rentenbeiträge für 1 Jahr gutgeschrieben, für Kinder ab 1992 hingegen 3 Jahre. Diese Beiträge werden vom Bund an die Rentenkasse überwiesen und belaufen sich auf ca. 12 Milliarden Euro pro Jahr. Wir haben nun mit unserem Koalitionspartner vereinbart, die Regelung zu überprüfen – allerdings konnten uns bisher keine Lösungen überzeugen, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Wenn man die Kindererziehungsleistung nun auf vor 1992 geborene Kinder ausweiten würde, kämen auf den Staat Mehrausgaben in Höhe von zunächst 13,2 Milliarden Euro zu – pro Jahr! Würden wir die Gutschrift von 3 Rentenentgeltpunkten nun nur „Neuzugängen“ gewähren, würde sich die Gerechtigkeitslücke nicht schließen und der Haushalt würde mit bis zu 7 Milliarden Euro im Jahr 2030 belastet. Wie bereits erwähnt, haben wir bislang noch keine "Ideallösung" gefunden für eine finanziell tragfähige und politisch akzeptable Einigung. Wir sind weiter in Verhandlungen hierüber.
Mit freundlichen Grüßen
Gudrun Kopp, MdB