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Frage von Rainer B. •

Frage an Gudrun Kopp von Rainer B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kopp,

Sie haben heute gefordet dass nicht nur die Politiker die Fußball-EM in der Ukraine boykottieren sollen, sondern dass es auch einen sportlichen Boykott geben soll.

Mit dem Boykott durch Politiker bin ich vollkommen einverstanden und es ist ja zum Glück hierzu auch eine sehr breiter Konsens vorhanden.

Bei dem sportlichen Boykott bin ich allerdings ganz anderer Meinung.
Denn dann müssten wir sehr viele Sportveranstaltungen in der ganzen Welt boykottieren.

Müssten nicht bei dieser Ansicht nach Ihrer Meinung auch die USA boykottiert werden so lange in Gunatanama neben schuldigen Terrosisten auch unschuldige Menschen ohne Verurteilung inhaftiert und gefoltert werden?

Wo ziehen Sie hier die Grenzen?
Zählen da politische Interessen mehr als humane und Menschenrechtsaspekte?

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Baack

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Baak,

herzlichen Dank für Ihre Nachricht.

Gleich zu Beginn möchte ich unterstreichen, dass ich keineswegs für eine Absage der Spiele der Fußball-EM bin. Ganz im Gegenteil: Die EM soll auf jeden Fall stattfinden! Sportler und Fans haben dies verdient. Jedoch dürfen Menschenrechtsverletzungen dabei nicht ignoriert werden. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dafür ausgesprochen, dass rasch über eine Verlegung der EM-Spiele in der Ukraine in ein anderes Land nachgedacht wird. Darauf bezog sich meine Forderung nach einem "sportlichen Boykott".

Wie Sie wissen, haben inzwischen der internationale Protest und die Boykottaufrufe erste Wirkung gezeigt: Die durch ein Rückenleiden und ihren Hungerstreik stark geschwächte ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko wurde in ein örtliches Krankenhaus verlegt wird nun von einem Neurologen der Berliner Charité-Klinik betreut. Die ukrainische Regierung hat damit die Minimalforderungen der internationalen Kritiker erfüllt und Julia Timoschenko die dringend benötigte medizinische Behandlung zukommen lassen. Nachdem Frau Timoschenko auch ihren Hungerstreik eingestellt hat, ist sie zunächst einmal außer Lebensgefahr. Zugleich hat ihr Fall aber auch ein Schlaglicht auf viele weitere ungenannte Opfer von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen vor allem in den Gefängnissen in dem Land geworfen, deren Schicksal nach wie vor ungewiss ist.

Der Druck auf die ukrainische Regierung sollte daher aufrecht erhalten werden. Der politische Boykott, wie ihn die EU-Kommission, Bundesminister Dirk Niebel und zahlreiche Staatschefs in Form der Absagen von Reisen zu den EM-Spielen bereits erklärt haben, hat seine Wirkung bisher nicht verfehlt. Wir als Deutsche und europäische Staatengemeinschaft müssen die Menschenrechte selbst ernst nehmen, indem wir sie nicht nur einfordern, sondern konkreten Druck machen auf deren Umsetzung, sonst machen wir uns mitverantwortlich für die Folgen. Wir dürfen nicht vergessen: Die Ukraine ist ein europäischer Nachbar; sie ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen und strebt ein EU-Assoziierungsabkommen an, das derzeit auf Eis liegt. Es gibt zwei Voraussetzungen für eine weitere europäische Integration der Ukraine, nämlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die Ukraine muss daher ihrer Verpflichtung zu menschenrechtlichen Mindeststandards nachkommen.

Ein Boykott kann viele Ausprägungen haben und dabei sollte die Option, die Spiele der Fußball-EM in der Ukraine – auch kurzfristig – in ein oder mehrere andere Länder zu verlegen, als letztes Druckmittel nicht zum Tabu erklärt werden. Unter den gegebenen Umständen ist zudem längst nicht gesichert, dass Fans und Sportler bei den EM-Spielen in der Ukraine die Möglichkeit hätten, in den Stadien oder auf der Straße deutlichen Protest gegenüber der dortigen Regierung zu äußern. Niemand weiß, zu welchen einschneidenden Maßnahmen die ukrainische Regierung fähig ist; im dem Land herrscht eben keine Demokratie. Die Regierung in der Ukraine sollte sich daher in der Frage der Menschenrechte noch vor den EM-Spielen weiter bewegen. Nur so kann – im Sinne des Fußball-EM-Mottos - „gemeinsame Geschichte“ geschrieben werden. Und nur so können die Spiele für die Bevölkerung vor Ort und für Europa zu einem unbeeinträchtigten Erfolg werden.

Freundliche Grüße

Gudrun Kopp